Die Paradise Papers

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Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit Sitz im amerikanischen Washington D.C. hat am 05. November nach den “Panama Papers” sog. “Paradise Papers” veröffentlicht. In den rund 13,4 Millionen Dokumenten, die diversen Medien auswerteten, werden erneut verschwiegene Firmenkonstrukte von Konzernen und Prominenten ins Rampenlicht gezerrt.
Insgesamt waren mehr als 90 Medien beteiligt, in Deutschland neben der “SZ” auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) sowie der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Die Daten wurden demnach über ein Jahr lang ausgewertet. Den Medienrummel kennen wir von den “Panama Papers”:

“The same procedure as every year, James.”

Selbst die britische Queen gerät folgerichtig ins Rampenlicht.

Ursprung des Lecks ist einmal mehr eine dieser übergrossen Wirtschaftskanzleien die, ähnlich wie eine Bank wie die UBS, einfach zu gross sind, um nicht zwingend undichte Stellen haben zu müssen. Gross ist nie wirklich diskret, da läuft zu viel Volk rum, zu viele Personen, die bestechlich sein können.
Konkret betroffen ist diesmal die Kanzlei “Appleby” mit Hauptsitz in Hamilton, der Hauptstadt der Bermudas.
Hinzu kommen Daten des sehr grossen Treuhand-Unternehmens “Asiaciti Trust” mit Sitz in Singapur sowie Unternehmensregister aus 19 Steueroasen wie der Isle of Man, Malta und den Bermudas. Es ist doch schön, wenn in Unternehmensregistern so gut wie nichts ersichtlich ist; das allein spricht für Jurisdiktionen wie das karibische Commonwealth-Land Nevis.

Die Grosskanzlei “Appleby” unterhält Büros mit knapp 500 Angestellten weltweit.

Im Unterschied zu den “Panama Papers” tauchen in diesen “Paradies Papers” die Daten und Namen von mehr als 120 Staats- und Regierungschefs und von Politikern aus 47 Ländern auf. Das sind genau die “Eliten”, die ihre Untertanen mit strafrechtlichen Sanktionen bedrohen für den Fall, dass die ihre – teils horrenden und unfairen – Steuern nicht bezahlen. Die “Paradise Papers” liefern in letzter Konsequenz eine Begründung dafür, warum immer mehr Bürger aus dem System aussteigen:

  • Es beginnt mit der Nichtteilnahme an Wahlen,
  • setzt sich fort damit, dass man Vermögenswerte dem korrupten System entzieht, was nicht einmal etwas mit Steueroptimierung zu tun hat, sondern nur eine Absage darstellt
  • und endet damit, dass man schliesslich seinen Wohnsitz auch noch verlagert; nicht jeder will frühmorgens von einem Muezzin geweckt werden.

Zurück zu den “Paradise Papers”:

Im Gegensatz zu “Mossack Fonseca” aus Panama ist “Appleby” eine seriöse Adresse. Man wählt dort weit penibler die Qualität seiner Mandanten aus. Die beiden Kanzleien auf eine Stufe zu stellen wäre vergleichbar damit, einen Fussbalbundesliga Möchtegern-Trainer wie Stefan Effenberg mit einem Jupp Heynckes vergleichen zu wollen.

Wie die “Süddeutsche Zeitung” polemisiert, ist diese Offshore-Firma das Tor, das direkt in die

“Schattenwelt des grossen Geldes”

führt.

Grundsätzlich sind jegliche Arten von Offshore-Firmen legal und haben einen wirtschaftlich nützlichen Zweck. Das sieht die FAZ nicht anders und führt völlig zutreffend am 06. November aus:

“Das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern ist nicht per se kriminell, und auch eine Briefkastenfirma nicht illegal. Es gibt für die Konstrukte viele legale Zwecke – in manchen Branchen gehören sie zum Alltag, helfen Prominenten beim Kauf von Grundstücken und schützen sogar bisweilen vor Verbrechen.”

Mittels Offshore-Geschäften könnern Steuern auf legale Weise vermieden oder andere oft unsinnige Gesetze, zum Beispiel bei Haftungsfragen oder Gläubigerschutz, umgangen werden. Das gilt auch bei Ehescheidungen und masslosen Forderungen von Ex-Partner(inne)n.

Die “Paradise Papers” legen deutlich offen: Solche Dienstleistungen werden von Politikern, Spitzensportlern, weltumspannenden Konzernen und Superreichen in Anspruch genommen.

Die “Paradise Papers” dokumentieren in erster Linie die Steuersparmodelle multinationaler Konzerne, einer Klientel mithin, die ein Unternehmen wie “Mossack Fonseca” nicht einmal mit der Beisszange angefasst hätten. Dazu gehören laut “SZ” der US-Sportartikelkonzern Nike, der seine legale Steuerquote mithilfe von Appleby auf nur 13,2% gedrückt habe. Weitere Kunden der Kanzlei seien unter anderem Facebook, der Fahrdienstvermittler Uber und der Haushaltsgerätehersteller Whirlpool gewesen.

Der Technologiekonzern Apple suchte den Berichten zufolge nach einem Standort mit möglichst niedrigen Steuersätzen, an denen auch ein möglicher Regierungswechsel nichts ändern würde.

Auch diverse deutsche Firmen tauchen in den Dokumenten auf – wie Sixt, die Deutsche Post, die Hotelkette Meininger, Siemens, Allianz, Bayer oder die Deutsche Bank.

Der französische Ökonom Gabriel Zucman hat für die “Süddeutsche Zeitung” berechnet, dass jährlich Euro 600 Milliarden von multinationalen Konzernen über Steueroasen optimiert werden. Laut diesem Ökonomen ist mittlerweile Vermögen im Umfang von rund zehn 10% der weltweiten Wirtschaftsleistung in Steuerparadiesen deponiert, Tendenz steigend.

Wo liegt nun wirklich das grosse Geld?

Das sind weder die Bermudas, noch ist das Panama.

Ein Blick auf den im vergangenen September publizierten “Global Financial Centres Index” zeigt, dass die Bermudas auf Platz 29 dieses Index rangieren, die Bahamas auf Platz 81 und Panama nur noch auf dem 88. Rang.

Das grosse Geld, sowohl der Schicki Mickis wie das der steueroptimierenden Grosskonzerne liegt ganz woanders:

London führt das Ranking an, Zürich ist mit Platz neun unter den Top-Ten genauso wie Singapur, Schanghai und Peking. Dort wird in wirklich grossem Umfang die Steuerzahlungspflicht der Grosskonzerne optimiert. Mit Abstand folgt Frankfurt. Aber egal an welchem dieser Orte: Die herrschenden Politiker kassieren immer kräftig mit.

Orten wie Abu Dhabi, Luxemburg und Shenzen wird eine grosse Zukunft vorausgesagt – und nicht zuletzt: Washington D.C, die Haupstadt der USA und Heimat des ICIJ, das permanent diese dubiosen Papers produziert. Das sollte man sich einfach auf der Zunge zergehen lassen.

Tatsächlich wurde bereits im Jahr 2012 in den USA mehr Geld von internationaler Kundschaft verwaltet als in der Region Panama-Karibik. 2014 hielten die Vereinigten Staaten mit Offshore-Geldern in Höhe von USD 1.400 Milliarden Dollar den Dritten Rang hinter Grossbritannien – und der Schweiz. US-Bundesstaaten wie Delaware, Süd-Dakota und Nevada haben sich längst zu internationalen Zentren für Briefkasten-Firmen gemausert. Darüber produziert der ICIJ aber keine “Papers”.

Eine Enthüllungsstory etwa über verschwiegene Firmen in Delaware könnte höchst aufschlussreich sein. Doch dort würden die ICIJ-Rechercheure wohl auf Granit beissen: Im Gegensatz zu den Bermuda-Inseln müssen dort nicht einmal die am Unternehmen berechtigten Personen angegeben werden.

Das gilt nun allerdings auch für Jurisdiktionen wie das von uns immer mehr favorisierte Nevis. Einige der Eilande in der Karibik wie Nevis  haben nämlich zuletzt Boden gut gemacht. Nevis gehört zum Commonwealth.

Und somit muss man sich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass London – wie oben schon ausgeführt – im Ranking die Spitzenposition einnimmt. Das ist dort, wo die Queen wohnt. Und die Queen ist auch die Queen in Nevis.

Verflechtungen sind dafür da, dass man sie nutzt – und fähig ist, sie zu nutzen.