Abschied von der Schuldenbremse

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Steingarts “Morning Briefing” vom 27. Januar bringt es auf den Punkt”

“Bei jeder Filmproduktion gibt es für die gefährlichen Szenen das Action-Double. Für Angela Merkel spielt diese Rolle ihr Kanzleramtschef. Helge Braun ist tapfer und treu. Er kennt wie kein Zweiter das Script der Hauptdarstellerin. Geradezu lustvoll nimmt er die Schläge, die für sie bestimmt sind, und greift nach den Splittern, die sonst ihr um die Ohren fliegen würden.”

Das Kanzleramt und damit Deutschland rückt von der Schuldenbremse ab.

Es geht um eine neue, schuldenfinanzierte Sozialpolitik, die in ihrer Konsequenz eine Abkehr von der traditionellen Fiskalpolitik der bürgerlichen Parteien bedeutet.

Zur Erinnerung: Derzeit gilt, dass der Bund nur in ganz geringem Maße neue Kredite aufnehmen darf, nämlich maximal in Höhe von 0,35% der nominalen Wirtschaftsleistung. Diese Schuldenbremse ist seit 2009 im Grundgesetz verankert und kann nur in Notsituationen vorübergehend aufgehoben werden – wie zum Beispiel während einer Pandemie, was gerade missbraucht wird.

Die Corona-Krise belastet den Bundeshaushalt noch auf Jahre hinaus. Aber sollte man deswegen gleich die finanzpolitische Solidität komplett über Bord werfen?

Angela Merkels Hausmeier – Kanzleramtsminister Helge Braun, hat genau das vorgeschlagen.

Die schwarz-rote Koalition hat in den guten Jahren wie die Made im Speck gelebt. Sie hat die sozialen Leistungen schneller ausgeweitet, als die Wirtschaft gewachsen ist, ohne dass die Klagen über Ungerechtigkeiten leiser geworden wären. Gleichzeitig hat sie unzählige Milliarden aus dem Bundeshaushalt in die Kassen der Länder und Kommunen gelenkt. Kaum sind die Zeiten nicht mehr gut, stellt der Kanzleramtsminister die Schuldenbremse in Frage. Was ist das für ein Armutszeugnis!

In der „Neuen Zürcher Zeitung“ merkt der Berliner Wirtschaftskorrespondent René Höltschi an:

“Aus ökonomischer Sicht ist sein Vorschlag eine Schnapsidee.”

Ulf Poschardt, Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, stellt fest:

“Dass der Kanzleramtsminister dies ohne Absprache in den politischen Raum schiebt, ist undenkbar. Damit wird auch klar, dass das Kanzleramt sich weiter und weiter weg von der politischen Mitte nach links verschiebt.“

Aus der anderen politischen Ecke Deutschlands tönt es aber ganz anders. Die stellvertretende Redaktionsleiterin des „SZ“-Parlamentsbüros Cerstin Gammelin begrüßt den Strategiewechsel als Annäherung an die Grünen:

“Die Grünen wollen ohnehin der Sparregel im Grundgesetz eine Investitionsregel hinzufügen, um nicht wieder Verwaltungen, Brücken und Schulen kaputt zu sparen. Dazu kommen nun die Zwänge der Pandemie. Es war leicht auszurechnen, dass nicht alles so bleiben wird, wie es ist. Und wer weiß, ob die Debatte Grüne und Union nicht näher zueinander bringt, als man dachte.“

Wer meint, man könne totzdem gut schlafen und müsse nicht zumindest Teile seiner Vermögernswerte aus diesem Land und der EU hinausverlagern, dem können wir auch nicht helfen.

Den anderen mitdenkenden Menschen allerdings schon.

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