USA & Kuba

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Lange war es still an dieser letzten Front des Kalten Krieges. Doch bald dürfte Tamargo wieder viel zu tun bekommen. Denn mit dem Ausklang der Ära Castro positionieren sich einige der größten US-Konzerne jetzt langsam, ihre alten Pfründe auf der Karibikinsel, die mittlerweile Milliardensummen wert sind, zurückzufordern. Unter ihnen sind:

  • ExxonMobil,
  • Texaco,
  • IBM,
  • General Motors und
  • Coca-Cola

Die Enteigneten setzen auf Castros Nachfolger.

"Kubas Übergangsregierung könnte an einem Ausgleich der Forderungen interessiert sein, um die Beziehungen zu normalisieren", sagt Tamargo im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Wegen seiner Herkunft, fügt er hinzu, habe er selbst "ein besonderes Gespür für diesen Job".

Als Castro 1959 die Macht ergriff, konfiszierte er allen Besitz auf der Insel, auch den der US-Amerikaner. Die Foreign Claims Settlement Commission (FCSC) hat seither 5913 einzelne Rückübertragungsansprüche von Firmen und Privatpersonen beglaubigt. Deren Gesamtwert beläuft sich heute, inklusive sechsprozentiger Verzinsung, auf

fast acht Milliarden Dollar.

Bei einem Wandel in Kuba wird dies aus amerikanischer Sicht das Problemthema Nummer eins werden: Wahrscheinlich keine andere Frage werde "mit größeren Schwierigkeiten und Komplexitäten belastet" sein "als der Status der Besitzrechte und der konfiszierten Grundstücke", orakelte das US-Außenministerium in einem Bericht im Juli 2006.

Chiquitas Zuckerplantagen

Zum Beispiel die frühere United Fruit Sugar Company. Die besaß vor ihrer Enteignung auf Kuba Tausende Hektar Zuckerplantagen – heute fast 315 Millionen Dollar wert. United Fruit wurde später vom US-Obstmulti Chiquita geschluckt. "Wir hoffen, dass sich dieses Anrecht verwerten lässt, falls Kuba eine neue Regierung bekommt", sagt Chiquita-Sprecher Mike Mitchell. "Wir erwarten, dass der Anspruch eingelöst wird."

Oder der Ölriese Chevron.

Der erhebt über seine Tochter Texaco Besitzansprüche auf eine Raffinerie im Wert von heute rund 185,3 Millionen Dollar. "Wir sind davon überzeugt, dass dieser Anspruch gültig und einklagbar ist, wenn es einen Regierungswechsel in Kuba gibt", sagt Chevron-Sprecher Kent Robertson.

Rechte an Minen

Andere sind zugeknöpfter. "Die Situation ist wirklich zu spekulativ für uns, um einen Kommentar abzugeben", sagt Bill Collier, der Sprecher des Kupfergiganten Freeport-McMoRan. Freeport hält die US-Rechte an mehreren Nickel- und Kobaltminen auf Kuba, darunter die größte Mine der Insel in Moa. Allein für deren Verlust an "Umsätzen, Werk und Maschinen" hat ihm die FCSC heute fast 327 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Von den künftigen Gewinnaussichten zu schweigen.

Tausende andere liegen in Wartestellung.

Die Liste reicht von Privatleuten, die Familienbesitz zurück haben wollen, bis hin zu der Crème de la Crème der US-Wirtschaft:

  • ExxonMobil (265 Millionen Dollar),
  • Colgate-Palmolive (53,7 Millionen Dollar) oder
  • IBM (23,9 Millionen Dollar).

Peanuts für die Konzerne. Doch für Kuba summiert sich das.
"Die Ansprüche dürfen nicht ignoriert werden", sagt der Anwalt Robert Muse, der zahlreiche der Ex-Eigentümer vertritt. "Sie müssen geklärt werden, sonst wird dies Handel und Investitionen mit Kuba behindern." Kuba drohe die Beschlagnahmung von Geldern und Waren.
Der größte Einzelanspruch, knapp eine Milliarde Dollar, geht auf die

Cuban Electric Company

zurück, die Kubas Stromnetz betrieb: E-Werke, Leitungen, Guthaben. (314.866,90 Dollar für die "Umsiedlung von Angestellten" lehnte die FCSC dagegen ab.) Cuban Electrics Mutterhaus Ebasco ging 1969 in Boise Cascade auf, einem Papierkonzern. Der schluckte 2003 den Büromaterial-Einzelhändler OfficeMax und nahm dessen Namen an. Weshalb OfficeMax, obwohl erst 1988 gegründet, heute in Kuba Besitzansprüche von 990.003.130 Dollar hält.
Es war ausgerechnet auch der OfficeMax-Konzern, der kürzlich versuchte, die gerichtliche Zahlung von 91 Millionen Dollar Schadensersatz an die Hinterbliebenen von zwei unter Castro hingerichteten US-Bürgern zu blockieren. Der Konzern – der von Anwalt Muse vertreten wurde – hatte argumentiert, die Gelder aus den eingefrorenen Kuba-Konten müssten zu allererst für Restitutionen verwendet werden. Das Gericht gab jedoch den Familien Recht.

Der zweitgrößte Anspruch ist zugleich auch der kurioseste: 484 Millionen Dollar im Namen des

Hotelkonzerns Starwood (Sheraton, Westin).

Daran ist Starwood ebenfalls erst per Fusion geraten. 1998 kaufte das Unternehmen den Telefonkonzern ITT, dem wiederum die Radio Corporaçion Cubana (RCC) gehört hatte. RCC wurde zunächst nicht enteignet, sondern durfte bis 1992 die Telefonleitungen zwischen Kuba und Florida weiter betreiben. Dann zerstörte der Hurrikan "Andrew" die US-Seite des Dienstes. Ein Jahr später beschlagnahmte Kubas Regierung RCC – die letzte Enteignung seit der Revolution.

Starwood meldete seinen Anspruch erst 2005 bei der FCSC an. Deswegen öffnete die FCSC ihr 1972 das an sich abgeschlossenes Kuba-Programm eigens noch mal und bewilligte dem Hotelriesen unter anderem 1200 Quadratkilometer Land am Flughafen Jose Marti im Wert von 36 Millionen Dollar, eine Immobilie in Havanna sowie weitere Liegenschaften im Strandort Guanabo – ideal für künftige Hotelprojekte. "Das Land gehört uns", erklärte Starwood-Anwalt Ignacio Sanchez. "Sie können es uns nicht abnehmen."

Immobilien zurück oder Entschädigung in Geld?

Ob Kuba im Fall einer Klärung der Besitzfragen aber  Immobilien freigibt oder nur deren finanziellen Gegenwert, ist natürlich völlig offen. Es sei wohl zu erwarten, daß die Ansprüche mit den kubanischen Staatsgeldern verrechnet würden, die seit 1963 bei US-Banken eingefroren seien, sagte Tamargo. So sei dies auch im Fall Vietnam geschehen.

Coca-Colas Kühlboxen

US-Außenministerin Condoleezza Rice versicherte erst im Juli in einem Bericht, Washington unterstütze keine "willkürlichen Bemühungen, Kubaner zur Räumung ihrer Häuser zu zwingen". Eric Watnik, ein Sprecher des State Departments, fügte jetzt auf Anfrage hinzu, man sei bei Bedarf bereit, "mit einer demokratisch gewählten Regierung Kubas ein faires und gerechtes Verfahren" auszuarbeiten.

Dabei schauen die Amerikaner auch auf Deutschland und dessen Erfahrungen mit den Besitzstreitigkeiten in der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung. "Davon können wir viel lernen", hieß es im Außenministerium. FCSC-Chef Tamargo stellte allerdings klar: "Das letzte Wort dazu hat Kuba selbst."

Wie kompliziert die Lage sein kann, zeigt Coca-Cola – der Brausekonzern eröffnete seine erste kubanische Abfüllanlage 1906. Auf Kuba macht er rund 102 Millionen Dollar geltend, penibel aufgelistet in den FCSC-Akten: Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge, Mobiliar, Inventar, Kühlboxen, Container, Bankkonten.
Das meiste existiert nicht mehr, anderes wurde längst umfunktioniert. Darunter auch die 1961 beschlagnahmte Abfüllanlage in Havanna, in der der legendäre frühere CEO Roberto Goizueta einst seinen allerersten Job hatte. Ironie der Geschichte: Coke ist auf Kuba längst wieder erhältlich – über den Vertrieb in Mexiko.

"Ohne Schutz werden wir Sklaven"

Mauricio Tamargo, dessen Vater sich nach der Flucht in Florida als Trucker verdingen mußte, freut sich jedenfalls aus ganz persönlichen Gründen auf den nahenden Restitutionskonflikt mit Kuba.

"Ich glaube fest an den Wert und die Bedeutung privater Besitzrechte", sagt er. "Ohne deren Schutz werden wir zu Sklaven."

Auf die Farm in Holguín macht er sich jedoch keine Hoffnungen. Niemand in seiner Familie war zur Zeit der Enteignung US-Staatsbürger. Somit verfehlt er die Bedingungen seiner eigenen Kommission – und ist disqualifiziert.

Aber halten wir fest:

Wer schon einmal fast 8 Milliarden Dollar sich hat  titulieren lassen, investiert auch weiter.

US-Investoren in den Startlöchern nach Kuba.