STEP und EZB

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Notenbanken vergeben keine unbesicherten Kredite. Wer von ihr Geld bekommen will, muß Sicherheiten hinterlegen. In der Regel bedeutet das: Die Banken müssen Wertpapiere oder eigene Kreditforderungen verpfänden.

An diesen Sicherheiten könnte sich die EZB schadlos halten, wenn eine Bank ihre Zentralbankdarlehen nicht mehr zurückzahlen kann.


Nur: Ist diesen Sicherheiten überhaupt noch zu trauen, sind sie was Wert?


Denn im Laufe der Krise hat die EZB ihre eigenen Ansprüche an diese Sicherheiten immer weiter heruntergeschraubt, um die Banken in der Euro-Zone flüssig zu halten. Früher war die Notenbankfähigkeit noch ein besonderes Qualitätsmerkmal für ein Wertpapier – früher…

 

In den ersten zehn Jahren des Eurosystems war die Marschroute klar: Nur Staats- oder Unternehmensanleihen mit einem A-Rating waren gut genug für die Zentralbank. Inzwischen reicht auch ein schwächeres Rating im BBB-Bereich.

Und vor einem Jahr ging der EZB-Rat noch weiter: Seither dürfen die nationalen Zentralbanken – auf ihr Risiko – nach eigenem Gusto auch Wertpapiere oder Kreditforderungen mit noch schlechterer Bonität annehmen. 


Etwa 40.000 Positionen umfasst die Liste notenbankfähiger Sicherheiten bei der EZB. Angesichts der vielfältigen, schwer durchschaubaren Kriterien scheint niemand mehr zu überblicken, wie sicher alle diese Wertpapiere sind, und ob sie alle so eingestuft werden, wie es ihrem Ausfallrisiko entspricht. 


Beschäftigen wir uns also mit dem STEP-Markt:


Die dort gehandelten Kurzfrist-Anleihen, im Fachjargon meist "Commercial Paper" genannt, werden seit jeher fast ausschließlich auf unregulierten Märkten gehandelt, das heißt abseits offizieller Börsen, wo Informationen über das Volumen einer Anleihe und den Kurs, zu dem die Papiere gehandelt werden, für jedermann ersichtlich sind.


Stattdessen handelt es sich fast ausschließlich um Privatplatzierungen: Ein Unternehmen verkauft die Anleihe direkt an eine Bank, oder aber eine Bank an die andere, was Handelsgebühren spart. Der STEP-Markt als zentraler Tummelplatz dafür geht auf eine Initiative französischer und deutscher Banken zurück und wurde 2006 gegründet. Der Markt liegt in der Obhut der "Euribor-EBF", einer Organisation des Europäischen Bankenverbandes (EBF), die derzeit wegen möglicher Manipulationen des Leitzinses Euribor im Rampenlicht steht.


Und hier kommt der „Hammer“:


STEP-Papiere können bei der EZB als Pfand für Kredite genutzt werden.


Eigentlich unglaublich, denn eine zentrale Voraussetzung der EZB für die Annahme von Sicherheiten lautet "Transparenz".

Darunter versteht die Notenbank "den ungehinderten Zugang zu Informationen über … die finanziellen Merkmale der Sicherheiten, den Preisbildungsmechanismus und die jeweiligen Preise und Mengen (Notierungen, Zinssätze, Handelsvolumina, ausstehende Beträge usw.)" – so steht es im Regelwerk des Eurosystems.


Genau diese Informationen sind aber in den gängigen Datenquellen der Finanzwelt für die meisten STEP-Papiere nicht auffindbar. Dennoch stehen sie fast alle auf der Liste der von der EZB akzeptierten Sicherheiten.

  • Es geht um mehr als 4350 Wertpapiere, deren Volumen sich auf rund 445 Milliarden Euro summiert.
  • Zum Vergleich: Der deutsche Bundeshaushalt wird 2013 etwa 300 Milliarden Euro betragen.

Genaue Daten zu den einzelnen Anleihen bleiben nicht nur der Öffentlichkeit verborgen – auch die EZB kann sie nicht nennen. Angeblich weiß aber die Banque de France (BdF) mehr.

 

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So wirkt der STEP-Markt wie eine geschlossene, frankophile Veranstaltung inmitten des offiziell so einheitlichen Euro-Raums. Denn ausgerechnet französische Großbanken nutzen diesen intransparenten, von Euribor-EBF gemanagten und der Banque de France beaufsichtigten Markt besonders eifrig.

  • 966 Anleihen im Wert von 44,5 Milliarden Euro hat gegenwärtig die größte französische Bank, die BNP Parisbas, mit dem STEP-Label versehen lassen.
  • Die Société Générale borgt sich auf dem Markt rund 35 Milliarden Euro,
  • ebenfalls etwa 35 Milliarden Euro beschafft sich dort die Dexia.
  • Mit etwa 27 Milliarden ist die Crédit Agricole dabei,
  • mit 25 Milliarden Euro Crédit Mutuel
  • und mit 21 Milliarden Euro die Natixis.

Aufaddiert sind das knapp 190 Milliarden Euro, demnach weit mehr als ein Drittel des gesamten Marktes.


Beim Versuch, Transparenz in diesen offensichtlich so wichtigen Markt zu bringen, windet sich die BdF.

 

  • Zunächst behauptete die französische Zentralbank, die fehlenden Informationen über Preis und Verzinsung der fraglichen Anleihen seien auf ihrer eigenen Website verfügbar – das war gelogen.
  • Darauf hingewiesen, wird eine neue Informationsquelle genannt: ein spezialisierter Datendienst namens Fininfo. Doch Fininfo teilte auf Nachfrage mit, über keinerlei entsprechende Informationen zu verfügen.
  • Auf die erneute Lüge hingewiesen, behauptet die BdF dann, die Daten würden „von Euroclear France bereitgestellt".
  • Das ist insoweit nur die halbe Wahrheit, denn Euroclear verfügt zwar über die Daten, stellt sie aber nicht bereit – weder Journalisten noch der EZB in Frankfurt. Letztere hat dafür eine lapidare Begründung: „Die EZB benötigt keinen Zugang zu den Daten von Euroclear France", erklären die Frankfurter, denn es reiche aus „daß die Banque de France Zugang zu den Daten hat".

 

Die EZB als Institution, die die geldpolitischen Operationen fürs gesamte Eurosystem  zu kontrollieren hat, müßte zwingend selbst den Zugang zu den Informationen haben. Die EZB will ihn nicht haben, so ist zu vermuten. Wüßte man, daß sie den Zuganng hat, müßte sie den Spuk sofort beenden. Das aber bekäme dem Bankensystem überhaupt nicht.


Daß betrogen und gelogen wird, scheint klar zu sein. Es existieren erhebliche Unstimmigkeiten beim Umgang der BdF mit den STEP-Papieren.


In 113 Fällen sind fällige Bewertungsabschläge für STEP-Papiere von der BdF falsch an die Zentrale in Frankfurt übermittelt worden – räumt die EZB zwischenzeitlich ein.

Mit den Abschlägen sichert sich die Zentralbank gegen das Ausfallrisiko der Pfänder ab – fallen sie geringer aus als angebracht, bekommen die Banken für die Sicherheiten mehr Kredit.

Betroffen waren Kurzläufer von sechs Banken, darunter die französische Société Générale sowie die italienische Unicredito. Die fraglichen Papiere hatten nach Angaben der EZB einen Gesamtwert von ca. 6,5 Milliarden Euro. Verrechnet man diese Summe mit den zu geringen prozentualen Risikoabschlägen, dann ergibt sich eine Summe von bis zu 550 Millionen Euro, die sich die Banken an zusätzlichen Zentralbankdarlehen verschaffen konnten, die nicht ausreichend abgesichert gewesen wären. Natürlich beschwichtigt die EZB. Man wäre anderweitig abgesichert gewesen. Wetten, daß das wieder gelogen ist!


Es wird über diesen konkreten Fall hinaus noch ganz andere Fehler geben, die das Eurosystem eines Tages viel Geld kosten.


In der Vergangenheit waren im System Kurzläufer von Banken, sogenannte Certificates of Deposit (CD), stets tabu. Man hatte immer Mauscheleien unter den Kreditinstituten befürchtet. Denn die Banken können sich ihre Anleihen gegenseitig abkaufen, mit dem einzigen Ziel, sie anschließend bei der Zentralbank einzureichen. Eine Gelddruckmaschine, die abseits regulierter Märkte nur schwer zu kontrollieren ist – das war jahrelang die Sorge der Notenbanker.


Bis die Krise kam. Und die Banken dringend Geld brauchten.


Ende 2008 ließ der EZB-Rat erstmals CDs als Sicherheiten zu, zunächst befristet auf zwei Jahre, die Regelung lief also Ende 2010 aus. Seit Januar 2012 sind die CDs jedoch wieder zugelassen – diesmal ohne Befristung. Entgegen aller einstigen Bedenken.


Das macht auch Märkte wie STEP für Banken attraktiv: Von den derzeit rund 445 Milliarden Euro, die dort insgesamt bewegt werden, entfallen heute knapp 370 Milliarden Euro auf Bankanleihen, die größtenteils bei der EZB zu Geld gemacht werden können.


Das Trojanische Pferd Euroclear


Es stellt sich die Frage, wie scharf in Frankreich den Markt kontrolliert wird. Die Frage stellt sich schon allein mit Blick auf die beteiligten Akteure.

  • Euroclear France, jenes Unternehmen, welches die BdF mit Informationen über die STEP-Papiere versorgt,
  • ist eine Schwester der Euroclear Bank, die sich wiederum damit brüstet, der weltweit zweitgrößte Vermittler genau solcher Geldgeschäfte zwischen Banken zu sein.

Muß Euroclear da nicht ein Interesse daran haben, daß möglichst viele dieser Papiere als EZB-fähig gelistet werden?


Zumal Euroclear einen weiteren wertvollen Service bietet:


Sie hilft ihren Kunden nach eigenen Angaben dabei, nicht notenbankfähige Sicherheiten in notenbankfähige Sicherheiten einzutauschen.


"Wenn es darum geht, … Sicherheiten umzuwandeln oder Liquidität bei der Zentralbank zu beschaffen, stehen wir bereit, Sie zu unterstützen", betont der Vorstand im Jahresbericht 2011.


Die Euroclear Bank als Abwickler und Vermittler von Geldmarktgeschäften ist eng mit dem internationalen Finanzsystem verflochten.

Unter den Aktionären ihrer Gesellschaften finden sich so ziemlich alle großen internationalen Banken,

  • von – natürlich schon wieder! – Goldman Sachs
  • und Deutscher Bank
  • über die Commerzbank

bis hin zu Tochtergesellschaften französischer Großbanken wie

  • BNP Paribas
  • und Société Générale.

Die Euroclear Bank verwaltet für ihre Kunden Wertpapiere in einem Volumen von mehr als 22 Billionen Euro und wickelt pro Jahr mehr als 160 Millionen Transaktionen ab. Und: Sie darf Wertpapiere auch selbst bei der EZB in frisches Geld umtauschen, wie jede andere Bank auch.


Preisfrage:


Wie kann es sein, daß ein Schwesterunternehmen einer Bank, die gleichzeitig bei der EZB Wertpapiere einreichen darf, für die EZB nicht einsehbare Informationen über genau solche Wertpapiere an die Banque de France liefert?


Die EZB hat zwischenzeitlich deutlich gemacht, daß sie zur Klärung solcher Fragen nicht weiter beitragen will.


„Illustre Neukunden“ haben in letzter Zeit STEP für sich entdeckt.

  1. Die englische Tochter der portugiesischen Pleite-Bank Banco Espirito Santo hat am 25. September das "STEP-Label" erhalten, die Bankengruppe hat bereits elf Anleihen mit knapp 900 Millionen Euro Volumen auf dem Markt platziert, bis zu 18 Milliarden Euro könnte sie sich demnächst dort besorgen.
  2. Knapp 1,6 Milliarden Euro hat sich die spanische Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) seit ihrer STEP-Zulassung am 12. September dort beschafft, zehn Milliarden könnten es einmal werden.
  3. Und seit Herbst vergangenen Jahres können auch solche STEP-Papiere bei der EZB eingereicht werden, die auf US-Dollar, Pfund oder Yen lauten.


Der intransparente STEP-Markt mit EZB-Lizenz hat sich dadurch für die Banken im Volumen um weitere 50 Milliarden Euro vergrößert.


Was kann man dagegen tun?


Was man tun kann? – Nichts!


Der Bürger hat längst keine Möglichkeiten mehr, den Wahnsinn zu stoppen. Das Schiff des Finanzsystems braust unaufhaltsam in Richtung Riff. Kapitän und Offiziere haben sich dem Suff hingegeben und lassen einen Stewart erklären, „alles im Griff“ zu haben; der Stewart muß ja den Passagieren an Bord nicht verraten, daß man nur die Schnapsflasche im Griff hat.


Aber es sind Rettungsboote an Bord. Mit denen kann man das Schiff – vielleicht noch rechtzeitig – vor dem Crash verlassen. Man muß sich nur trauen. Die rettende Insel ist in Sicht. So weit muß man das Rettungsboot gar nicht steuern.

Die Richtung heißt schneller Ausstieg aus der Bankenwelt und aus dem zerberstenden Finanzsystem. Für Investitionen in Sachwerte baucht man keine Bank. Gold kann man sicher und versichert lagern, sogar völlig anonym – weil außerhalb der Welt der petzenden Bänker und Vermögensverwalter. Das alles gilt nicht nur für Edelmetall.


Wir stehen auf der Insel bereit. Sie hat viele Namen, von „Panamá“ über „Hong Kong“ und „Singapur“ bis „Malaysia“ und „Dubai“ – wie sogar auch „Schweiz“.


Über Details reden wir nur bei uns in Panamá.

 

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*** Wir danken der Redaktion der „Welt“ für die am 06. Januar 2013 veröffentlichten eigenen Recherchen der Redaktion.