Torrijos Amtszeit

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Es gibt diverse Gründe für den letztendlichen Erdrutschsieg des Oppositionskandidaten für den Wandel.

  1. Die Regierungspartei PRD war ein Opfer ihres Erfolges geworden. Juan Carlos Navarro unterlag in den parteiinternen Vorwahlen der PRD Kandidatin Balbina Herrera nach einem zermürbenden innerparteilichem Wahlkampf. Navarro machte aus seiner Abneigung sowohl gegen Torrijos wie gegen Balbina – die dem Kabinett Torrijos angehörte – kein Geheimnis. Die Partei blieb tief gespalten, obwohl letztendlich Navarro unter Balbina zum Vizepräsidenten kandidierte. Er wollte sich nicht verweigern und schielt auf die nächste Kandidatur im Jahr 2014; da darf und will aber auch Torrijos wieder antreten. Balbina wirkte im Ergebnis schwach, es kamen Ungereimtheiten dazu um fragwürdige öffentliche "Entschädigungszahlungen" an eine ihr gehörende Firma. Und viele sehen in Balbina eine enge ehemalige Vertraute des Exdiktators Noriega.
  2. Obgleich Panamá eine vergleichsweise geringe Kriminalitätsrate hat, stieg die Zahl der Tötungsdelikte im Jahr 2008 um 47%. 2005 kamen auf 100.000 Einwohner 11 Tötungsdelikte, 2008 waren das dann 19 derartiger Gewaltverbrechen. 47% der bislang insoweit verwöhnten Panamaer betrachteten die steigende Kriminalität als Hauptproblem des Landes, das nächste genannte "Hauptproblem", nannten nur halb so viele Panamaer. "Kriminalität" war ein Hauptargumentationsfeld Martinellis. Er würde gegen Kriminalität mit "harter Hand" vorgehen
  3. Über viele Jahre wurde panamaische Politik definiert als ein undurchsichtiges Zusammenwirken von Cliquen zwischen politischer und wirtschaftlicher Elite, wobei die politische Elite nur aus zwei Parteien sich rekrutierte, aus der PRD und der Partei der Panameñistas oder Arnulfistas, wie sie auch genannt werden. Weltanschauliche Unterschiede zwischen den Parteien gab es praktisch keine. Korruptionsskandale machten vor dem Hintergrund dieser Gemengenlage immer wieder Schlagzeilen. Allzu viele Politiker waren noch aus Noriegas Zeiten recht nah am Geschehen des Drogenhandels, immer wieder flogen in diesem Zusammenhang Geldwäschegeschäfte auf und beschädigten das Ansehen Panamás als seriöses Finanzzentrum. Diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren vieles gebessert, nicht aber das Ansehen der überkommenen Politikerkaste. Da hob sich der Neuling Martinelli ab. Gewiß, auch er gehört zur wirtschaftlichen Elite. Aber er schuf glaubhaft eine neuartige politische Allianz, auch wenn dieser die Arnulfisten nun angehören. Man traut Martinelli zu, gerade auf der Grundlage seines eigenen Reichtums und damit seiner völligen wirtschaftlichen Unabhängigkeit den Augiasstall endgültig zu säubern.
  4. Ein Finanzskandal überschattete den Wahlkampf der PRD. Der Kolumbianer David Murcia Guzmán hatte in verschiedenen Ländern Lateinamerikas ein betrügerisches Pyramidensystem (finanzielles Schneeballsystem) aufgebaut und insbesondere in Kolumbien viele Menschen um ihr Geld gebracht. Um sich in Panamá zu schützen, wo er zwischenzeitlich sich aufhielt, hat er anscheinend hohe Millionenbeträge als "Schutzgeld" in vermeitlich einflußreiche Politiker der Regierungspartei "investiert", er war am Machterhalt der PRD offensichtlich sehr interessiert. Was da nun dran ist, bleibt offen. Aber das traf eine Partei, die schon 1994 vom kolumbianischen Drogenkartell Gelder erhalten hatte im Wahlkampf des ehemaligen Präsidenten Ernesto Pérez Balladares.
  5. Vor diesem Hintergrund war die Kampagne für einen "wahrhaftigen Wandel" ein Volltreffer Martinellis. Gestützt wurde der Erfolg von einer Welle von Preissteigerungen im Dollarland Panamá, obgleich an diesem weltweiten Phänomen die Regierung weitgehend machtlos war; der einfache Mann auf der Straße sah das anders. Martinelli nutzte all diese Umstände im Wahlkampf, für den er angeblich USD 35 Millionen investierte, teilweise auch aus eigener Tasche. Bei etwas mehr als nur 2 Millionen Wählern ist das viel Geld. Im Gegensatz zu Martinelli hatte die Gegenkandidatin der PRD kaum Unterstützung finanzieller Art aus der Wirtschaft – woran sie andererseits nicht schuldlos war.

Die Herausforderung, vor der die Regierung Martinelli steht, ist ungleich größer als seinerzeit die der Regierung Torrijos. Der noch amtierende Präsident konnte auf der Grundlage einer boomenden Weltwirtschaft agieren, das sieht nun völlig anders aus. Das laufende Jahr wie auch 2010 werden schwierig. Es tröstet in Panamá nur wenig, daß man keine wirtschaftlichen Rückgang hat wie die großen Länder der Welt, und man auch in Lateinamerika Primus bleibt. 3% Wirtschaftswachstum ist halt deutlich weniger als zuletzt knapp 10%. Es passieren weniger Schiffe den Kanal, der Umsatz in den beiden großen Häfen an beiden Ozeanen geht deutlich zurück. 19% des Bruttoinlandsproduktes Panamás erwirtschaftet der Kanal, der gleichzeitig 28% der Steuereinnahmen des Landes sicherte. Panamá ist wie Singapur entscheidend weltwirtschaftlich verankert, was zumeist – leider nicht immer – von Vorteil ist.

Weiter käpft Panamá mit der Schwäche seiner Institutionen: Viel Bürokratie, wenig Verstand. Die politischen Institutionen haben mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung Panamás nicht Schritt halten können. Gleichwohl ist Panamá auch jetzt schon eines der solidesten Länder der Region. Zwei Jahrzehnte stabile Demokratie liegen nun hinter der Zeit der Militärdiktatur.

Der "wahrhafte Wandel", hoffentlich wirklich einhergehend mit dem Einzug einer neuen Politkergeneration in die Amtsstuben, sollte die Demokratie Panamás weiter stärken. Dafür spricht, daß auch die unterlegenen Politiker den Machtwechsel akzeptieren und Amtsinhaber Torrijos ab sofort für einen reibungslosen Übergang der Regierungsgeschäfte Sorge tragen will.

Eigentlich eine ganz normale Demokratie, unser Panamá. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.