Auswanderung

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Mit der Aufgabe des Familienwohnsitzes in Deutschland endet die unbeschränkte deutsche Steuerpflicht.

Also alles erledigt? Kann die neue Heimat ab dem Tag der Auswanderung in Ruhe genossen werden, fernab von deutschen Problemstellungen?

Im Februar 2003 stellte das "manager-magazin" einen exemplarischen Fall vor wie folgt:

"Bürger auf der Flucht – vor einem Staat, dessen Steuer-Häscher keinen Winkel des Privatlebens aussparen; vor einem Fiskus, der ungebremst dabei ist, das Land mit einem nahezu lückenlosen Kontrollsystem zu überziehen; vor einer Obrigkeit, die jede Hemmung verloren hat, die Steuerzahler auszuplündern.
Wer privat fürs Alter vorsorgen muß, hatte bisher schon Probleme, sein Gespartes vor Geldentwertung und dem konfiskatorischen Zugriff des Finanzamts zu schützen. Nun aber, mit ihren Plänen, die Gewinne aus dem Verkauf von Mietimmobilien und Wertpapieren abzuschöpfen, dreht die Regierung erst richtig auf.
Es ist ungefähr zwölf Jahre her, dass Manfred Martens (Anm.: Name geändert) den Schritt vollzog, über den viele Steuerzahler jetzt verschärft nachdenken: Der Unternehmer verkaufte seine Firma, transferierte das Vermögen auf eine Züricher Bank und zog in die Schweiz. Mit der deutschen Finanzbürokratie, so viel stand für ihn fest, würde er künftig nichts mehr zu tun haben.
Da hatte Martens geirrt. Nach seinem Wegzug verfing sich der Pensionär heillos im Netz von Finanzbeamten und Fahndern.
Zunächst entdeckten Steuerpolizisten bei der Durchsuchung von Martens' ehemaliger Bank, dass der Pensionär zu einer Zeit, als er längst weggezogen war, Anleihen im Wert von 7500 Euro gekauft hatte. Anschließend machten die Beamten ein Haus in den bayerischen Alpen ausfindig, das Martens weiterhin gehörte. Das Chalet hatte der Ex-Unternehmer zwar den Kindern überlassen, bei Besuchen in Deutschland aber selbst bewohnt. Ein schwerer Fehler, denn für die Beamten war er mit der Nutzung der Immobilie hier zu Lande weiter steuerpflichtig.
Nach diesen Zufallsfunden lief die Steuermaschine zu Hochform auf.
Anhand des Wertpapiergeschäfts rechnete das Finanzamt das Vermögen des heute 70-Jährigen hoch. Einfach so. Eine halbe Million Euro soll Martens im Depot haben, befand der Fiskus. Die Zinsen auf diese Summe muss er nun nachversteuern – und zwar für zehn Jahre. Macht inklusive Zinsen und Strafzinsen rund eine halbe Million, den Wert des angeblichen Vermögens. Martens wird wohl nie zahlen – in der Schweiz ist er vor den Nachstellungen des deutschen Fiskus sicher."

Der Fall würde sich nicht anders darstellen, wenn Martens statt in die Schweiz in die Dominikanische Republik ausgewandert wäre. Allenfalls müßte er beachten, daß im Falle eines Steuerstrafverfahrens er in der Schweiz vor Auslieferung sogar besser geschützt sein könnte als in der Dominikanischen Republik, obwohl diese kein Rechtshilfeabkommen mit Deutschland abgeschlossen hat. Kein Abkommen haben bedeutet nicht, daß die Dominikanische Republik nicht ausliefern dürfte. Es existiert die Praxis eines Auslieferungsautomatismus über Interpol, gegen die Herr Martens nicht einmal Rechtsmittel hätte. Das förmliche Auslieferungsverfahren offiziell an die Dominikanische Republik gerichtet, fürchten die deutschen Staatsanwälte wie "der Teufel das Weihwasser" – ist ein förmliches Verfahren doch mit Arbeitsaufwand verbunden, der sich beim Weg über Interpol in Grenzen hält und das bei garantiertem Erfolg mangels Rechtsschutz des Betroffenen in der Dominikanischen Republik. Doch dieser Problemkreis sei hiermit nur am Rande erwähnt.

Besonders zu beachten bei einer Auswanderung:

  • Jeder, der nach der Auswanderung gleichwohl in Deutschland noch eine Wohnung nutzt, muß in Deutschland weiter sein gesamtes Einkommen versteuern, auch wenn er es vollständig im Ausland erwirtschaftet. Demnach dürfen keine Mietverträge laufengelassen werden. Immobilieneigentum in Deutschland sollte evtl. vorab im Wege einer vorweggenommenen Erbschaft auf Nachkommen übertragen worden sein, verkauft (evtl. an die eigene anonyme Auslandsgesellschaft) oder zumindest dauerhaft und nachprüfbar vermietet sein; selbst die berühmte "zurückgelassene Zahnbürste" könnte fatale Folgen nach sich ziehen.
  • Das deutsche Außensteuerrecht bestimmt in seinem § 6, daß jeder, der in Deutschland mehr als 1% an einer GmbH oder Aktiengesellschaft hält und auswandert, in diesem Moment so gestellt wird, als hätte er diesen Anteil an dem Tag der Auswanderung verkauft. Der fiktiv ermittelte Erlös ist zu versteuern, auch wenn keinerlei Geld geflossen ist, und die Person der Auswanderers ihre Beteiligung nach wie vor nachweisbar hält. Die Steuer muß selbst dann gezahlt werden, wenn der Anteil zwar am Stichtag unter 1% liegt, innerhalb einer Zeitspanne von 5 Jahren vor der Auswanderung aber einmal über 1% gelegen hatte. Die Auswanderung darf also erst erfolgen, wenn die Beteiligung verkauft worden ist (zu beachten ist hier eine Entscheidung des EuGH vom März 2004, demgemäß entsprechende Vollstreckungshandlungen einstweilen auszusetzen sind im Falle von Auswanderungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes / EWR; diese Entscheidung ist demnach nicht anwendbar bei einer Auswanderung aus dem Raum des EWR).

Erbschaftsteuer läßt sich durch Auswanderung nicht umgehen.

Die zivilisierte Staaten in der Welt kennen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer im allgemeinen nur zwei Anknüpfungspunkte:

  • den im Lande ansässigen Erblasser oder Schenker (unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht des Erblassers/Schenkers);
  • das Inlandsvermögen (beschränkte Erbschaftsteuerpflicht).

Wenn es ums Geld geht, ist der deutsche Fiskus unzivilisiert.

Ein Wegzug des Erblassers aus Deutschland bleibt erbschaftsteuerlich ohne jegliche Wirkung, wenn nicht der Erbe ebenfalls aus Deutschland auswandert (unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht des Erben), denn die Erbschaftsteuerpflicht knüpft nicht nur, wie international üblich, an die Person des Erblassers an, sondern auch an die Person des Erben. Die Auswanderung auch des potentiellen Erben wird in der Regel kaum durchführbar sein wegen beruflicher Gründe, schulische Bindungen der Kinder, etc. Dieses Hindernis der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht des Erben ist für eine erbschaftsteuerliche Gestaltung vor allem dann besonders störend, wenn der Haupterbe auch der vorgesehene Nachfolger in einem deutschen Unternehmen ist, der bei Wegzug des Seniors vor Ort im Unternehmen bleiben soll. Und sollte auch der Erbe auswanderungswillig sein, wenigstens für eine Übergangszeit:
Eine erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht erfaßt in typisch deutscher Gründlichkeit Erblasser / Schenker auf der einen Seite, sowie Erben / Beschenkten auf der anderen Seite bis zu fünf Jahren nach Wegzug als unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtige, wenn sie noch deutsche Staatsangehörige sind. Deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer soll nämlich nicht durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegungen umgangen werden können. Und noch ein Bonbon für Beamte: Die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht gilt für öffentliche Bedienstete und ihre Angehörigen über die Fünfjahresfrist nach Wegzug hinaus nicht nur fünf Jahre nach der Auswanderung, sondern "auf ewig".
Nach der Auswanderung droht mithin nicht nur die deutsche Erbschaftbesteuerung weiter, es muß aufgepaßt werden, daß nicht Erbschaftsteuern zu zahlen sind sowohl in Deutschland als auch noch in der neuen Heimat des Erblassers.

Wir haben Verständnis, wenn jemand von den deutschen Verhältnissen die "Nase voll" hat und nur noch weg will.
Gleichwohl – seine Sinne sollte man immer beisammen haben.

Hektik kann teuer werden