Internationale Steuerreform – Panama schmunzelt

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Panama konnte der gross verkündeten internationalen Steuerreform ausdrücklich zustimmen.

Wie kann das sein?

  • Panama hat die grösste Handelsflotte der Welt. Ausnahmen für Finanzdienstleister, Schifffahrt und Rohstoffindustrie führen dazu, dass große Frachtschiffe damit weiter günstig unter der Flagge von Panama fahren können.
  • Und die Tatsache, dass die Finanzindustrie ausgenommen worden ist, kommt hier wie auf den Cayman Islands ebenfalls gut an, denn Panama ist das führende Finanzzentrum von Lateinamerika.
  • Die Mindeststeuer soll nur auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über Euro 750 Millionen angewendet werden. Diesen Umsatz erreichen nicht viele der in Panama registrierten Unternehmen. Diese geniessen daher weiter ungestört die Vorteile, dass im Ausland getätigte Umsätze/Gewinne in Panama völlig unversteuert bleiben, weil bei uns das sog. “territoriale Besteuerungsprinzip” gilt. Die Installierung des Unternehmens muss natürlich juristisch korrekt und mit Substanz ausgeführt werden; wenn keine Dilettanten da mitmischen, geht das problemlos.
  • Und wenn der Umsatz doch die Marke von Euro 750 Millionen erreicht, haben wir noch unsere Zollfreizonen. Allein die Zollfreizone von Colón gehört zusammen mit Hong Kong und Dubai zu den drei grössten Zollfreizonen auf dieser Welt. Insbesondere die Zollfreizone von Panama Pacifico steht des weiteren zur Verfügung. Den grossen Unternehmen können wir demnach mit unserem Netzwerk Installationen vor Ort in den insoweit exterritorialen steuerlichen Sonderzonen anbieten.

 

Lachend konnte Panama daher die sog. Internationale Steuerreform abnicken. Auch die Cayman Islands stimmten mit ihren Finanzzentren schmunzelnd zu.

Worum geht es eigentlich bei dieser internationalen Steuerreform?

Die Steuerreform basiert auf zwei Säulen

Die erste Säule

der Reform sieht die Einführung einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 15% vor.

Vereinfacht funktioniert die Mindeststeuer so: Zahlt ein Konzern mit seiner Tochtergesellschaft im Ausland Steuern unter dem Mindestsatz, kann der Heimatstaat die Differenz bis zum Mindestsatz einkassieren. Somit würde eine Verlagerung von Gewinnen in Länder, die niedrigere Steuern unter dem Mindestsatz bieten, für ein Unternehmen kaum noch verlockend sein.

Die Mindeststeuer soll aber nur auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über Euro 750 Millionen angewendet werden.

Die zweite Säule

ist die Einführung einer Art Digitalsteuer (wie sie fälschlich noch immer genannt wird), die bestimmte Geschäfte – nicht nur digitale – weltweit einheitlich besteuern soll.

Dieser zweite Teil – nur dieser zweite Teil – zielt aber noch weiter:

Es soll nämlich auch das Steueraufkommen teilweise neu verteilt werden. Bislang zahlen Unternehmen vor allem in dem Land Steuern, wo sie beheimatet sind. Künftig soll die Besteuerung stärker davon abhängen, wo diese ausgewählten Unternehmen welchen Umsatz erzielen. Apple oder Google müssten dann mehr Abgaben in Europa leisten, deutsche Konzerne wie Volkswagen wiederum dürften mehr Steuern in Ländern wie China abführen.

Digitalkonzerne wie Amazon oder Google machen in einem Land oft hohe Umsätze und Gewinne, haben aber keine Präsenz vor Ort. Firmensteuern knüpfen traditionell an eine Betriebsstätte im jeweiligen Land an. Hier wollte die Reform der Firmensteuern ursprünglich ansetzen, damit Internetfirmen vermehrt auch dort Steuern bezahlen, wo sie Gewinne machen.

Die Amerikaner fürchteten jedoch, dass das Projekt unter dem Dach des Industrieländerklubs OECD ihre grossen Tech-Konzerne über Gebühr belasten würde. Deshalb drängten sie darauf, dass

sämtliche hochprofitablen und grossen Firmen

davon erfasst werden. Das Vorhaben ist deshalb immer grösser geworden und betrifft längst auch traditionelle Geschäftsmodelle wie VW etc. Es geht also nicht mehr nur um Amazon oder Google.

Dieser zweite Teil der Reform ist komplizierter: Erfüllt ein Konzern die Umsatz- und Profitabilitätsbedingungen wirklich, dann wird er auf neue Art besteuert. Anders als bisher nicht nur vor allem in dem Land, wo das Unternehmen seinen Sitz hat, sondern auch in den Ländern, wo die Unternehmen tätig sind, also im Marktstaat. Dafür wird ein Teil des Gewinns herangezogen. Beträgt der Gewinn eines multinationalen Unternehmens mehr als 10% des Umsatzes, werden vom “Übergewinn” 20% bis 30% an die Marktstaaten zur Besteuerung abgetreten.

In den OECD-Verhandlungen wurden dazu nun die technischen Details geklärt. Danach sind von der Reform nur Konzerne betroffen, die

  1. mindestens Euro 20 Milliarden Umsatz machen; die Umsatzschwelle soll nach sieben Jahren auf Euro 10 Mrd. reduziert werden.
  2. und eine Profitabilität von mehr als 10% aufweisen.

Es gibt entscheidende Ausnahmen.

  1. Großbritannien konnte durchsetzen, dass Finanzdienstleister vom ersten Teil der Reform, also der Neugestaltung der Steuerverteilung, nicht betroffen sind. um das britische Steuersubstrat des wichtigen Finanzsektors für sich allein zu sichern. Argumentiert wurde damit, dass Banken und Versicherungen in jedem Land stark reguliert würden und ihre Gewinne sowieso vor Ort versteuerten. Die großen Banken und Finanzdienstleister sind demnach auf Druck Großbritanniens ausgenommen.
  2. Ebenfalls ausgenommen ist die Mineralölindustrie – Ergebnis brillanter Lobbyarbeit Saudi-Arabiens, Russlands und der Öl-Multis wie Exxon.
  3. Ausnahmen für Banken, Schifffahrt und Rohstoffindustrie führen dazu, dass große Frachtschiffe damit weiter günstig unter der Flagge von Steueroasen wie Panama, Liberia oder den Marschall-Inseln fahren können. Panama hat die grösste Handelsflotte der Welt.
  4. Für im Land investiertes Kapital und für Löhne soll es einen besonderen Abzug geben, der die Besteuerungsbasis verkleinert. Man will so Firmen “belohnen”, die vor Ort Personal beschäftigen und investieren. Dies hat es China erleichtert, das Projekt mitzutragen. Für die Berechnung der Mindeststeuer, ist entscheidend, wie die Bemessungsgrundlage definiert wird. Was für eine herrliche Stellschraube nicht nur für China!
  5. Für kleinere Staaten, sprich die bisherigen Steueroasen, gibt es Sonderregeln. Investitionen in physische Produktionsanlagen oder Logistikzentren sollen die Steuerschuld mindern. Auch das ist eine herrliche Stellschraube.

Nach der Einigung innerhalb der OECD und der Bestätigung durch die G20-Finanzminister wartet noch weitere Arbeit: Ziel blieb es zunächst, dass auch die neun Staaten, die zunächst nicht teilnehmen wollten, zu veranlassen, sich der großen Mehrheit der 130 OECD-Mitgliedstaaten anschließen. Zwischenzeitlich haben sich nun 136 Staaten auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer verständigt haben. Auch China, Indien und alle anderen führenden Industrie- und Schwellenländer der G20 sind dabei. Nach langem Zögern stimmte auch Irland zu. Es folgten Estland und Ungarn. Mit

Ausnahme von Zypern,

das nicht an den Verhandlungen beteiligt war, sind alle EU-Mitgliedstaaten an Bord. Insgesamt stehen die 136 Staaten für mehr als 90% der globalen Wirtschaftsleistung.

Es bleiben aber noch hinreichend viele Jurisdiktionen aussen vor.

Ausserdem muss die Reform noch faktisch umgesetzt werden.

In der EU soll die Mindeststeuer über eine Richtlinie umgesetzt werden. Auch dafür ist Überzeugungsarbeit notwendig. Zypern will natürlich nicht. Gelingt das nicht, bliebe nur der Weg der verstärkten Zusammenarbeit der übrigen EU-Staaten. Aber innerhalb der EU wird es am Ende irgendeinen “Kuhhandel” geben.

Der Zeitplan der OECD ist sehr ehrgeizig. So soll die Neuordnung schon Ende 2023 in Kraft treten.

Bringt Präsident Joe Biden die Reform überhaupt durch den Senat? Bei der Mindeststeuer scheint dies möglich, denn hierzu braucht es wohl nur eine einfache Mehrheit im Senat, die die Demokraten innehaben. Wenn es aber um die Umverteilung von Besteuerungsrechten geht, ist von republikanischer Seite mit Opposition zu rechnen; dass die USA freiwillig Besteuerungsrechte abgeben, sehen sie als Frevel an.

Der Regierungschef der Kanalinsel Jersey, John le Fondré, teilte abschätzig mit, das Vorhaben der G7 werde

„bemerkenswert geringe Auswirkungen“

auf seine Steueroase haben. Bermuda habe

„das Recht, für sich selbst das beste Steuersystem zu finden. Hier geht es um Souveränität“,

findet der Finanzminister der Atlantikinsel, Curtis Dickinson. Gemeinsam haben die Territorien, dass sie in die Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs fallen. Und London wacht eifersüchtig über seinen Status als größtes internationales Finanzzentrum der Welt.

Ein Problem könnten nationale Digitalsteuern sein, die es zum Beispiel in Frankreich, Spanien und Italien gibt. Für einen sauberen Deal müssten sie zurückgenommen werden. Yellen hat das in Venedig auch angemahnt. Wirtschaftskommissar Gentiloni aber will an EU-Plänen für eine Digitalabgabe festhalten.

Fazit:

Folgende Unklarheiten sind festgestellt, aber nicht beseitigt:

1. Die Bemessungsgrundlage ist unklar. Sie entscheidet aber, worauf genau die Steuer gezahlt werden muss. Wenn die Bemessungsgrundlage löchrig wird, bringt die Steuer wenig.

2. Die Unternehmenssteuer ist und bleibt nur eine Komponente im globalen Wettbewerb. Bei den anderen Komponenten – Sozialstaat, Subventionen, Ausnahmegenehmigungen aller Art – dürfte sich der Standortwettbewerb eher intensivieren.

3. Nicht zu unterschätzen ist die Frage, wie sich die heutigen Steuerparadiese verhalten.

Panama jedenfalls kann mit allem sehr gut leben.

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