Inflation – Ja oder Nein

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…und wenn es nicht klappt mit der Inflation?

Wir haben die eigentliche Ziele der Europäischen Zentralbank (EZB) mit dem vormaligen Lire-Kassenwart Mario Draghi klar benannt:
Es geht darum, mittels einer starken Inflationierung eine kräftige Verbesserung der relativen Schuldensituation zu erreichen. Der verschuldete Staat wird zum Inflationsgewinner. Das Vermögen der Bürger wird schleichend aufgelöst, der Staat entschuldet sich gleichzeitig mittels der Guthaben und schuldenfressenden Inflation. Je höher die Inflation, umso besser für den Staat.

Ohne Frage ist das gewollt.

Es stellt sich die Frage, ob das gelingt. Bert Rürup, aktuell Präsident des Handelsblatt Research Institute und ehemaliger „Wirtschaftsweiser“, zweifelt daran und führt völlig überraschende Überlegungen ins Feld.

An anderer Stelle auf dieser Webseite haben wir bereits ausgeführt, daß Quantitative Easing in allen Staaten, in denen es eingesetzt worden ist, nicht wirklich gewirkt hat. Das spricht für Bert Rürups These. Überall in der westlichen Welt pumpen die Notenbanken Billionen in die Märkte. Aber die Inflationsraten fallen, vielerorts herrscht inzwischen Deflation.

Kommen wir nun also zu Bert Rürup und seinen Gedanken aus dem Februar 2015, die wir für bedenkenswert halten.

In den Mittelpunkt seiner Überlegung stellt Rürup die Frage nach einer existierenden oder nicht existierenden Kaufzurückhaltung.

Deflation im Sinne einer gravierenden Fehlentwicklung liegt nämlich nur dann vor, wenn die Preise als Folge einer ausgeprägten Kaufzurückhaltung zurückgehen. So war es während der vielzitierten Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Nur dann besteht die Gefahr, daß Konsumenten sich veranlasst sehen können, ihre Käufe aufzuschieben. Aber nichts davon ist derzeit der Fall.

  • Erstens sind für den Rückgang der Verbraucherpreise vor allem die gesunkenen Ölpreise verantwortlich. Rohölbasierte Produkte haben einen Anteil von gut 12% am repräsentativen Warenkorb der Statistiker.
  • Zweitens zieht in den meisten Euro-Ländern die Konjunktur an.
  • Und drittens führen – wie jüngste Untersuchungen zeigen – angebotsseitige Preissenkungen, auch wenn sie dauerhaft sind, keineswegs zur dauerhaften Zurückhaltung der Käufer, die auf weitere Preissenkungen hoffen.

Vielmehr – so Rürup – gäbe es heute Anzeichen dafür, daß die Industrieländer in eine neue Entwicklungsphase getreten sind.

Wir stünden zwischenzeitlich in einem Zeitalter, das durch eine

  1. sehr flache Preisentwicklung,
  2. moderate Wachstumsraten,
  3. aber spürbare Realeinkommenszuwächse

charakterisiert ist.

Kennzeichen dieser neuen Phase wäre die Digitalisierung. Sie schaffe Produktivitätsschübe und vor allem eine Flut neuer preiswerter Produkt- und Dienstleistungsinnovationen.

Hier die Analyse von Bert Rürup:

Dadurch geraten die Preise vieler Güter unter Druck, und der Anstieg des Preisniveaus wird deutlich gedämpft. Die Wirkung dieser Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts übertrifft alle bisher bekannten technologischen Schübe der Vergangenheit, und ist allenfalls mit der Einführung der Dampfmaschine oder der universellen Nutzung der Elektrizität zu vergleichen. Es gibt nur wenige Branchen, die von der Digitalisierung nicht fundamental berührt werden. Dies wird zu einem anhaltenden Druck auf die Preise führen.

Die heruntergeladene Musikdatei kostet viel weniger als eine CD, eine Rechtsberatung aus dem Netz ist billiger als der Besuch beim Anwalt. Zudem unterlaufen die vielen neuen App-basierten Geschäftsmodelle die Preise traditioneller Anbieter. Uber mischt den Taximarkt auf, Auxmoney vermittelt Privatkredite und macht Banken ihr Kerngeschäft streitig, BlaBlaCar bietet Mitfahrmöglichkeiten an und konkurriert mit Bahn und Bus. Für den Verbraucher kostenlose Vergleichsportale wie Check24, HRS oder Ab-in-den-urlaub führen zu einer noch nie da gewesenen Transparenz und erhöhen den Preisdruck noch.

Geringe Preissteigerungen oder gar sinkende Preise müssen also gar nicht deflationsanzeigende Merkmale sein.

Trifft Rürups Analyse die Tatsachen, so droht die ultralockere Geldpolitik ins Leere zu laufen. Es kann zwar duch QE zu rasant steigenden Vermögenspreisen mit den sattsam bekannten Gefahren von Finanzkrisen und sich anschließenden Rezessionen kommen.

Aber daß Draghis Inflationsvorhaben Erfolg beschieden ist, ist nicht wirklich sicher.

Wenn die Staaten ihre Schulden durch Inflation zu Lasten der Vermögen ihrer Staatsbürger nicht wegbekommen, läuft alles auf eine Währungsreform hinaus. Das Vermögen der Menschen in den überschuldeten westlichen Industrienationen ist also so oder so auf dem Weg zur Verbrennungsmaschine.

Meistens sind es in der Geschichte die Dummen, die Arglosen, die Obrigkeitshörigen, die großmäuligen Promis aus der geistlosen und mainstreamhörigen Schickeria gewesen, die in Finanzkrisen und Zusammenbrüchen eins „aufs Maul“ bekommen haben.

Protégez Votre Grande Gueule!