Russlands Ziel in Syrien

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Aufschlussreich waren Äusserungen von Gennadij Gatilow, den für Syrien zuständigen hochqualifizierten Vize-Außenminister Russlands.

Gennadij Gatilow, Jahrgang 1950, ist ein Veteran der russischen Nahost-Diplomatie. Er hat an den sowjetischen Botschaften in Ägypten und Jordanien gearbeitet, er spricht fließend arabisch.

Der Nahe Osten, verkündet er, werde auf Jahre hinaus im Fokus der russischen Außenpolitik stehen.

Gatilow sieht Moskau in einer besonderen Verantwortung: Russland sei den Ländern der Region

“geografisch und historisch näher, wir verstehen ihre Mentalität besser, als es der Westen vermag. Zumindest haben wir nie versucht, den Menschen dort unseren Willen aufzudrängen“.

Im März 2016 währt dieser Krieg bereits fünf Jahre. Russlands Hauptziel wäre, Frieden in Syrien und der Beginn von Verhandlungen, in denen die Syrer über die Zukunft ihres Landes entscheiden.

„Wir wollen niemandem unseren Willen aufzwingen. Wir haben aber ein Interesse an Stabilität in der Region.“

Eine Lösung in Syrien hätte positiven Einfluss auf die Nachbarländer Palästina, Libyen, den instabilen Irak, Nordafrika. In all diesen Ländern breitet sich die terroristische Gefahr aus. Das ist eine brandgefährliche Entwicklung.

Aber die USA und ihre europäischen Satelliten kochen nur ihr eigenes Süppchen und sperren sich Russland gegenüber.

„Wir werben seit Beginn unserer Angriffe für ein gemeinsames Vorgehen gegen den Terror. Wir wollen den Austausch von Informationen über Objekte, gegen die wir vorgehen. Leider haben wir auf unsere Vorschläge keine positiven Antworten aus dem Westen bekommen,“

so Gatilow.

„Wir handeln auf Bitten der syrischen Regierung. Wir stimmen uns sehr eng mit Damaskus ab, anders als die Amerikaner.”

An dieser Stelle trifft Gatilow einen wunden Punkt des Westens. Assad ist der offizielle Präsident Syriens. Er und seine Regierung vertreten Syrien in der UNO, sonst niemand. Jeder der in Syrien ohne Zustimmung Assads agiert, handelt völkerrechtswidrig.

Nur: Wann in ihrer Geschichte haben sich die USA je an internationales Recht gehalten?

„Die Amerikaner haben uns oft gebeten: Kommt, wir klären gemeinsam, wer Syrien regieren wird. Mit so etwas werden wir uns nie beschäftigen. Das sollen die Syrer entscheiden.“

Eine schallende Ohrfeige für die USA, die der Russe hier austeilt. Russland als Verteidiger des Selbstbestimmungrechts der Völker gegen die USA. Was daran wirklich schlimm ist: Der Russe hat in diesem Fall das Recht auf seiner Seite.

Das Assad kaum ein Musterdemokrat ist, bestreitet Gatilow gar nicht.

„So anrüchig Assad auch sein mag, um ihn herum schart sich ein bedeutender Teil der syrischen Gesellschaft. Viele unterstützen ihn. Ginge er jetzt, würde Syrien als Staat endgültig zerfallen. Das sehen inzwischen sogar die Amerikaner ähnlich. Sie sind der Auffassung, jetzt sei nicht der Zeitpunkt, um Assads Schicksal zu entscheiden. Jetzt geht es um den Kampf gegen den Terror. Die militärische Situation am Boden hat sich verändert. Unterstützt durch Russland ist Syriens Armee erheblich vorgerückt. Sie hat Dutzende Ortschaften befreit.“

Russland will Syrien als souveränen Staat erhalten. Es dürfe nicht zerschlagen werden.

„Alle Volksgruppen haben doch auch früher in Syrien gut zusammengelebt. Sollte das Land zerfallen, werden wir etwas Ähnliches erleben wie in Libyen. Dort haben alle Versuche für eine Versöhnung nicht gefruchtet.“

Und weiter, durchaus kritisch zu Assad:

„Die Regierung hat viele Fehler gemacht, dann haben sich Kräfte von außen eingemischt. Assad hätte die Eskalation verhindern können, hätte er rechtzeitig demokratische Reformen umgesetzt. So aber verschärfte sich die Auseinandersetzung immer weiter. Das hat Terrorgruppen angelockt, ihnen Nährboden geboten.“

Russland wird dauerhaft im Nahen Osten präsent bleiben. Auch das macht Gatilow unmissverständlich klar und begründet es.

„Diese Region wird über lange Jahre Sorge bereiten. Dafür gibt es viele Gründe: Die Bombardierung Libyens, die Versuche, den Nahen Osten mit amerikanischen Schablonen zu demokratisieren. Das alles hat zu nichts Gutem geführt. Russland ist dieser Region geografisch und historisch näher. Wir verstehen ihre Mentalität besser als es der Westen vermag. Zumindest haben wir nie versucht, den Menschen dort unseren Willen aufzudrängen.“

So detailliert und klar können sich Staatspräsidenten nie äussern. Es ist gut, auf qualifizierte und mit der Sache befasste Fachleute wie Gatilow zu hören – hinzuhören.