Petrocaribe

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Am 29. Juni 2005 begründeten die Länder Venezuela, Antigua und Barbuda, Bahamas, Belize, Cuba, Dominica, Grenada, Guyana, Jamaica, St Lucia, St Kitts und Nevis, St Vincent und die Grenadinen, Suriname und die Dominikanische Republik das gemeinsame Unternehmen "Petrocaribbean", ein Unternehmen im gemeinsamen Eigentum dieser Länder. Trinidad und Tobago & Barbados waren bei dem Treffen auch anwesend, überlegen sich ihren Beitritt aber noch. Angesichts der hohen internationalen Rohölpreise sollen die Mitgliedsländer die Möglichkeit erhalten, über "Petrocaribbean" den Rohstoff zu deutlich geringeren Preisen beziehen zu können, überdies ohne Zwischenhändlerprovisionen. Der Transport erfolgt durch eigene Tanker von Petrocaribbean, für die nur die tatsächlich entstehenden Kosten gezahlt werden müssen. Natürlich verschenkt Venezuela das Rohöl nicht, aber das "Abkommen von Caracas" bietet schließlich bereits erhebliche Vorteile für die Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens aus dem Jahr 2000. Bekanntlich dürfen Mitgliedsländer im vereinbarten Rahmen auch mit Gegenleistungen verrechnen wie landwirtschaftlichen Produkten. In letzter Konsequenz handelt es sich um eine Fortentwicklung des "Abkommens von Caracas".

Das Petrocaribe Abkommen "stört" das Beziehungsgeflecht um die Energieversorgung der Dominikanischen Republik. Es paßt nicht in die Regelungen des sog. "Abkommens von Madrid". Hinter diesem Begriff verbergen sich Preisvereinbarungen zwischen den dominikanischen Stromverteilern und den Stromerzeugern (an erster Stelle zu nennen Cogentrix und Smith & Enron). Die Verträge sind äußerst unvorteilhaft für die Verteiler und für den dominikanischen Staat, somit für den Verbraucher im Land. Problem: "pacta sunt servanda". Da will man runter, weiß aber nicht so recht, wie.
Die Stromproduzenten behaupten, das preisgünstige Petrocaribe-Öl aus Venezuela enthalte angeblich zu viel Schwefel. Das würde die Lebensdauer der Stromgeneratoren beeinträchtigen; die Generatoren verweigerrn daher den kostengünstigen Rohstoff.

Am 15. August 2005 wurden erstmals Schwierigkeiten um "Petrocaribe" bekannt. Aus dem Petrocaribeabkommen heraus kam kein Öl in die Dominikanische Republik. Es fehlten diverse Detailvereinbarungen. Es wird geschätzt, daß die Rohölimporte 2005 die Marke von 3 Milliarden Dollar überstiegen haben (2004: US-Dollar 1,2 Milliarden). Um den aktuellen – viel zu hohen – Brennstoffbedarf zu decken, zahlt die Dominikanische Republik derzeit täglich mehr als 9 Millionen Dollar. In Jamaica trafen am 6. September 2005 sich nicht nur Leonel und Chávez, sondern alle Staatschefs der Petrocaribe Mitglieder.

Die Länder scharen sich um den fünftgrößten Erdölförderer der Welt, um Venezuela, egal wer da regiert. Petrocaribe soll diesen Ländern die Möglichkeit eröffnen, zwar das Öl zum Weltmarktpreis des jeweiligen Tages zu kaufen, aber nur einen Teil davon sofort zahlen zu müssen:

  • nämlich 60% innerhalb einer Frist von 90 Tagen; den "Rest" im Laufe von 25 Jahren, Restsumme verzinsbar mit 1% p.a., nachdem die ersten zwei Jahre zinsfrei sind.
  • Können nur weniger als 60% gezahlt werden, so erhöht sich hinsichtlich des Differenzbetrages, nicht hinsichtlich des Gesamtbetrages, der Zinssatz auf 2% p.a. .
  • Sollte sich der Preis pro Barrel auf 100 Dollar erhöhen, werden nicht nur 40% als Darlehen gewährt, sondern ab dieser Summe sogar 50%.

Zahlung darf auch mittels konkreter Güter geleistet werden wie Agrarprodukten. Die Dominikanische Republik erhält diese Vergünstigungen bis zu einer maximalen täglichen Abnahme von 50.000 Barrel (die anderen karibischen Staaten nur bis 28,600 Barrel).

Die Versuchung ist groß, daß sich das Land völlig von Venezuela abhängig macht hinsichtlich des Bezuges von Rohöl. Der Gastgeber des Treffens, Jamaicas Staatschef P.J. Patterson, dessen Land als erstes bereits seit letzten Monat in den Genuß der Petrocaribe-Vorzüge kommt, erklärte allerdings, Chávez hätte keinerlei politische Bedingungen gestellt. Gleichwohl erweist sich Chávez’ sozialistische Ideologie in der Dominikanischen Republik als hinderlich: ganz bewußt sollen von dem Abkommen nur die Staaten als Vertragspartner profitieren, nicht etwa Privatfirmen. Die Abnahmekapazität ist damit begrenzt, weil die private Erdölindustrie ausgegrenzt ist. Von den möglichen 50.000 Barrel pro Monat konnte die staatliche Raffinerie "Refidomsa" (50% gehören der Shell!) zunächst nur 30.000 Barrel verkraften. Angeblich soll "Refidomsa" aber in die Lage versetzt worden sein, doch die 50.000 Barrel abnehmen zu können, über das "wie" schweigt man sich jedoch aus (Stand Oktober). Im Februar 2006 heißt es dann schließlich, "im März" wáre es endlich soweit.

Die Dominikanische Republik hat derzeit einen zu

importierenden Ölbedarf

von täglich 165.000 Barrel. Davon werden 50.000 Barrel als Rohöl benötigt, 115.000 Barrel als in Raffinerien weiterbearbeitete Produkte (Benzin, Diesel, Propangas usw.). 87.000 Barrel davon bedient die "Refidomsa". Die eigene Raffinerie verkraftet täglich maximal eine Verarbeitung von 34.500 Barrel. Die eigene Verarbeitung hat bislang zu einer Ersparnis geführt von zuletz jährlich US-Dollar 23,6 Millionen. Vergangenes Jahr kaufte die Refidomsa Ölprodukte ein für 1,2 Milliarden Dollar, im Jahr 2005 sollten es 3 Milliarden Dollar sein. Der steigende Kostenaufwand steht nicht zuletzt im Zusammenhang mit der nur spärlichen Raffineriekapazität. In Planung ist eine weitere Raffinerie, die täglich weitere 300.000 Barrel weiterverarbeiten kann. Es bieten sich Investoren an aus den Nahen Osten, Europa und den USA.

Das Abkommen von Caracas

Zwischen Venezuela und der Dominikanischen Republik wurde das "Abkommen von Caracas" aus dem Jahr 2000 mit Verspätung in Kraft gesetzt. Das bedeutet konkret, daß für die nächsten 15 Jahre 25% der Bezug von Rohöl (auf der Grundlage des derzeitigen Marktpreises) aus dem südamerikanischen Land kreditiert wird, demnach bis auf weiteres nur 75% des Preises gezahlt werden müssen. Denn übersteigt der Erdölpreis am Weltmarkt den Preis von US$ 30,00 pro Barrel, beträgt die Höhe der Kreditierung 25%. Die Staffelung konkret:

  • Weltmarkspreis bis zu US$ 20,00/ton, Kredithöhe 10%;
  • Weltmarkspreis über US$ 20,00/ton, Kredithöhe 15%;
  • Weltmarkspreis ab US$ 24,00/ton, Kredithöhe 20%;
  • Weltmarkspreis über US$ 30,00/ton, Kredithöhe 25%.

Trotz des gegenwärtig deutlich höheren Weltmarkspreises berechnet Venezuale der Dominikanischen Republik derzeit lediglich US-Dollar 40,00/ton. Für die ersten beiden Jahre der Kreditierung sind keinerlei Zinsen zu zahlen, danach gerade einmal schlappe 2% p.a. Die Dominikanische Republik hat das Recht, "Zahlung" zu leisten in Form von Gütern und Dienstleistungen. Venezolanische Fachleute werden künftig die Dominikanische Republik unterstützen bei der Suche und ggf. der Förderung eigener Rohölreserven und dominikanisches Personal ausbilden. Dies stellt in der gegenwärtigen Situation der Dominikanischen Republik eine enorme finanzielle Entlastung dar. Venezuela verpflichtet sich, der Dominikanischen Republik täglich zumindest 50.000 ton Rohöl zu liefern.

Zu der nun erneuerten Vereinbarung ist es am erst 21. Oktober 2004 gekommen anläßlich der letzten Verhandlungsrunde zwischen dem dominikanischen Präsidenten Leonel und Rafael Ramírez, dem Minister für Energie und Bergbau von Venezuela. Das Abkommen ist zwischen den Präsidenten der beiden Länder am 6. November 2004 in Santo Domingo unterzeichnet worden.
Sieht man sich die Höhe der finanziellen Einsparungen an, wird einmal mehr deutlich, wie sehr die Präsidentschaft Hippólitos dem Land geschadet hat: Das Abkommen von Caracas war bereits am 19. Oktober 2000 unterzeichnet worden zwischen zehn Ländern der Karibik und Mittelamerikas mit Venezuela. Auch Hippólito gehörte zu den Unterzeichnern. Niemals hatte er es jedoch für notwendig befunden, das Abkommen der parlamentarische Ratifizierung zuzuführen, gleichwohl hatte Venezuela bis September 2003 geliefert gehabt. In der Tradition eines Trujillo suchte Hippólito Streit mit dem venezolanischen Präsidenten, die Paarung hieß nicht Trujillo vs. Betancourt, sie hieß diesmal Hippólito vs. Hugo Chávez, verloren hatten einmal mehr die Menschen in der Dominikanischen Republik.

Das Abkommen ist zwischenzeitlich ratifiziert.