Krisenjahr 2011

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  1. Mit dem Auslaufen des Konjunkturprogramms werden zwei Drittel der Bundesstaaten vor dem Konkurs stehen, was wiederum auch viele Gemeinden in die Zahlungsunfähigkeit treiben wird. Denn schon seit fast zwei Jahren war es nur das Geld aus dem Konjunkturprogramm (beinahe 200 Milliarden USD), das verhindert hat, dass viele Gebietskörperschaften Konkurs anmelden mussten. Was es jedoch nicht verhindern konnte, war, dass viele Angestellte im öffentlichen Dienst ihre Stelle verloren. Man kann sich also leicht ausrechnen, welche sozialen und wirtschaftlichen Folgen eintreten werden, wenn in der zweiten Jahreshälfte 2011 viele Gemeinden tatsächlich ihre Zahlungen einstellen müssen: Massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit, Insolvenzflut der Unternehmen, die auf öffentlichen Aufträge angewiesen sind, Schließung von Diensten der öffentlichen Daseinsvorsorge usw. Werden wir konkreter: Fürs Etatjahr 2012, das in den meisten US-Staaten am 1. Juli 2011 beginnt, prognostiziert das unabhängige „Center on Budget and Policy Priorities“ (CBPP) Haushaltslücken von insgesamt fast 125 Milliarden Dollar. Mehr als ein Fünftel davon bestreitet der notorische Pleitestaat Kalifornien (25,4 Milliarden Dollar). Illinois (15 Milliarden Dollar) und Texas (13,4 Milliarden Dollar) stehen nicht weit nach. Doch die Summen allein sagen wenig. Das CBPP hat die Zahlen umgerechnet – in ihren prozentualen Anteil am laufenden Haushalt. Daraus ergibt sich eine viel aussagekräftigere Hitparade der US-Pleitestaaten. Spitzenreiter: Nevada, das 45,2 Prozent seines Budgets nächstes Jahr nicht finanzieren kann. Es folgen Illinois (44,9 Prozent), Texas (31,5 Prozent), Kalifornien (29,3 Prozent), Oregon (25 Prozent), Minnesota (24,5 Prozent), Louisiana (22 Prozent) und, für viele überraschend, das als Milliardärsrefugium bekannte Connecticut, dessen Haushaltsloch von 3,7 Milliarden Dollar 20,8 Prozent des Etats 2011 entspricht. Das Schlimme diesmal: Washington wird nicht mehr helfen. Der Geldfluss, mit dem Washington den Bundesstaaten 2009 durch die Rezession half, versiegt. Bisher gingen 261 Milliarden Dollar aus der US-Steuerkasse an die Staaten und Kommunen, mit der Summe wurden die ärgsten Haushaltslöcher geflickt. Doch nun wird der Geldhahn spätestens mit dem Haushaltsjahr 2012 zugedreht. "Die Staaten stehen am Rande des Abgrunds", schreibt die Zeitung "Toledo Blade" in Ohio (erwartetes Minus 2012: drei Milliarden Dollar). Hinzu kommt, dass die Republikaner-Mehrheit im Repräsentantenhaus auch sonst überall den Rotstift ansetzt und viele staatliche Programme kürzt, von denen die Bundesstaaten betroffen sind. Die könnten so mindestens weitere 32 Milliarden Dollar verlieren und zu scharfen Sozialschnitten gezwungen sein. Gleichzeitig besteht Washington auf Rückzahlung von bis zu 80 Milliarden Dollar, die es den Staaten geliehen hat, um Arbeitslosenhilfen zu zahlen. 
  2. Bei einer tatsächlichen, landesweiten Arbeitslosigkeit von beinahe 20% werden soziale Hilfsleistungen in viel größerem Umfang erforderlich sein, während die staatlichen Stellen sie aus Geldmangel jedoch einschränken müssen. Natürlich werden bei einer so hohen Arbeitslosigkeit auch die Steuereinahmen auf allen staatlichen Ebenen zurückgehen. Die relative Entspannung am Arbeitsmarkt des vergangenen Jahres war nur den mittelbaren Wirkungen des Konjunkturprogramms geschuldet.
  3. Damit werden die staatlichen Stellen in den USA vor immer weiter wachsenden Schwierigkeiten stehen, ihre Schulden zurückzuzahlen oder auch nur die Zinsen zu bezahlen. In einigen Städten wird schon diskutiert, ob Zinszahlungen oder die Gehälter der Angestellten Vorrang haben sollten.
  4. Rücklagen für die Pensionen der Angestellten der US-Gebietskörperschaften werden nicht nur nicht mehr gebildet; vielmehr bedienen sich die Gemeinden aus diesen Fonds, um ihre täglichen Rechnungen zu bezahlen.

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        Das Zusammentreffen von Regierungsohnmacht und der Implosion des Muni-Marktes wird dazu führen, dass das gesamte US-Schuldensystem zusammenbrechen wird. Der Krach des Muni-Marktes im November war die Generalprobe für ein solches Szenario. Und von ihm wird im zweiten Halbjahr 2011 die Kettenreaktion ausgehen. Man muss wissen, dass die Gemeinden seit zwei Jahren verstärkt über die Ausgabe von Anleihen der Bundesregierung finanziert werden, nämlich den « Buy America Bonds » (Babs). Innerhalb nur weniger Tage wird der Markt so gut wie tot sein.  Ohne diese Babs wird die desolate Finanzlage der Gemeinden sofort allgemein ersichtlich werden, was von heute auf morgen den Markt für Munis insgesamt zusammenbrechen lassen wird. 

        • Die Banken und Investoren werden keine Kredite mehr zur Verfügung stellen. Obwohl der Markt vor dem Zusammenbruch steht, verkaufen die US-Banken aktuell diese Wertpapiere weiter im großen Stil an ihre Kunden, viele davon natürlich auch im Ausland.
        • Von der US-Zentralbank wird nicht viel Hilfe zu erwarten sein. Angesichts der massiven internationalen Kritik an ihrem 2. Programm des Quantitative Easing und eines Kongresses, in dem die Fraktion der Fed-Gegner, allen voran Ron Paul, nur auf eine Gelegenheit wartet, ihre Unabhängigkeit und Zuständigkeiten zu untergraben, kann sie nicht mehr nach Belieben die Anleihen aufkaufen, die auf dem Markt keine Abnehmer mehr finden.

        Damit ist der Boden für eine allgemeine Panik bereitet, in der die Zinsen für die Munis in die Höhe schnellen werden.

        Mehr wird nicht erforderlich sein, um auch auf der europäischen Seite die Blase aus öffentlichen Schulden platzen zu lassen.

        Damit wird das, was im September 2008 einsetzte, nämlich das 30.000 Milliarden USD reiner Papierwerte sich in Luft auflösen, weitergeführt werden. Von diesen Scheinwerten geistern noch ungefähr 20.000 Milliarden in den Bilanzen der Banken und Fonds dieser Welt. Bis 2012 werden sich weitere 10.000 Milliarden USD an Forderungen gegen die öffentliche Hand in Luft aufgelöst haben.

         

        Die Explosion der Schuldenblase säubert die Bankenbilanzen brutal, aber effizient.

        Noch etwas ist schließlich zu beachten, was wertberichtigt werden muss, nämlich die Immobilienwerte.

         

        Wenn erst einmal die Blase der öffentlichen Schulden der westlichen Staaten geplatzt sein wird, ist davon

        auszugehen, dass dann auch die Immobilienpreise eine deutliche Preiskorrektur erleben werden.

         

        Nach Angaben der Firma Zillow wird sich der Wertverlust des US-Immobilienparks auf 1.700 Milliarden USD belaufen. 2009 waren es hingegen „nur“ 1.000 Milliarden. Da müsste die Fed ihr 2. Programm des Quantitative Easing geradezu verdreifachen, wenn es eine Rezession oder gar Depression vermeiden wollte.

         

        II. Der Zusammenbruch
        der Weltmacht USA

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        Nicht nur Ägypten geht verloren.

         

        Vielmehr bedeuteten die Aufstände in Ägypten den Anfang vom Ende des US-Protektorats über die arabische Welt. Dies war seit dem Zweiten Weltkrieg immer weiter ausgebaut worden und erreichte seine Blütezeit nach dem Fall der Berliner Mauer.

         

        Eine wichtige Etappe dabei war nach der Aufkündigung der Dollargoldbindung im August 1971 die Durchsetzung des US-Dollars als ausschließliches Zahlungsmittel für Erdöl.

         

        Denjenigen, die die Unruhen der letzten Wochen in Tunesien, Ägypten und Libyen nicht vorhergesehen haben, droht eine neue Überraschung. Denn die Entwicklung wird sich schneller vollziehen, als sie sich das vorstellen können.

        Mit den Unruhen von Tunesien und Ägypten ging in der arabischen Welt und auch im Mittleren Orient wie

        auf einen Schlag die Welt von Gestern – die Welt vor der Krise – zu Ende. Sie war in dieser Region vor allen Dingen von der Omnipräsenz der Schutzmacht USA geprägt, die die Region so strukturierte und verwaltete, wie es für die Durchsetzung ihrer beiden alleinigen Interessensbereiche notwendig war:

        1. Zum einen den Preis für Erdöl auf einem noch bezahlbaren Niveau zu halten,
        2. zum anderen die Sicherheit Israels zu gewährleisten.

          Damit ist es jetzt jedoch vorbei.

           

          Heute sind noch relativ wenige Staaten dieser Weltgegend betroffen; morgen werden solche Bewegungen in der ganzen Region ausbrechen.

           

          Michael Gorbatschow besaß seinerzeit wenigstens den Anstand, die Regierungen in den Satellitenstaaten der Sowjetunion davon in Kenntnis zu setzen, dass die Sowjetunion nicht mehr in der Lage sei, ihnen Beistand zu gewähren, wenn in ihren Ländern Reformforderungen erhoben würden.

          Offensichtlich hat Obama diese Höflichkeit nicht besessen.

           

          Oder – und das ist wahrscheinlicher – gibt es zur Zeit niemanden in Washington, der die Weitsicht eines Gorbatschows und seiner Mitarbeiter besitzt und sich im Klaren darüber ist, wie weit der Zerfall der US-Macht fortgeschritten ist.

           

          In der amerikanischen Hauptstadt herrscht weiterhin der unerschütterliche Glaube an die eigene Macht. In Deutschland nannte man das einst "Bunkermentalität".

          Dabei lassen die zu erwartenden Entwicklungen in der arabischen Welt für die USA,

          • ihre Strategie in der Region,
          • ihre Erdölversorgung
          • und Israel

          nichts Gutes erwarten.

          1. Die Region ist kein Protektorat der USA mehr;
          2. und die USA nicht mehr ihre Schutzmacht, sondern lediglich ein großer Staat neben anderen, der seine Beziehungen mit nunmehr souverän gewordenen Staaten pflegen muss.

          Die Liste der Trends, die in der Welt vor der Krise bedeutungsvoll waren und nun erloschen sind, kann man recht einfach erstellen.

          1. Rascher Zusammenbruch des US-Einflusses in der arabischen Welt. Die öffentlichen Meinungen sind in den letzten Jahrzehnten in starken Anti-Amerikanismus umgeschlagen. Die Menschen in der Region verstehen ihren Aufstand gegen die Regimes auch als Aufstand gegen die US-Macht, die Jahr über Jahr alles daran gesetzt hat, diese an der Macht zu halten. Die Experten in Washington wären gut beraten, sich schon jetzt anzuschauen, wie sich die anti-russische Stimmung in den ehemals kommunistischen Staaten Mittel – und Osteuropas nach 1989 entwickelt hat. Sie werden erkennen, dass es fast eine Generation dauert, bis die Ablehnung sich abschwächt und dann – vielleicht – ins Positive dreht. Die Amerikaner können sich schon heute darauf einstellen, dass es eine Generation dauern wird, bis sie mit dieser Region wieder normale Beziehungen aufbauen können.
          2. Ende der holzschnittartigen Trennung der Strömungen in den arabischen Gesellschaften in prowestlich oder islamistisch, den Washington und seine europäischen Verbündeten wie auch die arabischen Partnerdiktaturen seit dem Ende des Kommunismus als einzig korrekte Perspektive auf die arabische Welt gelten lassen wollten. Mit dem Klischee vom „guten“ Freund des Westens und dem „bösen“ Islamisten konnte nahtlos an die Feindbilderreflexe des Kalten Krieges angeknüpft werden. Der Kulminationspunkt dieser Sicht auf die Welt wurde bekanntlich nach den Attentaten vom 11. September 2001 unter George W. Bush erreicht, als im Namen des Kriegs gegen den islamischen Terrorismus die Diktaturen der Region bedingungslos unterstützt wurden. Anhand der Ereignisse in Tunesien und Ägypten konnte die Welt unmittelbar im Fernsehen erkennen, dass die große Mehrheit der Araber schlicht Menschen sind, die wie alle Menschen dieser Welt in Demokratie und Wohlstand leben wollen, und nicht etwa fanatische Bartträger, die nur davon träumen, Westler in Massen niederzumetzeln. In den weltweiten öffentlichen Meinungen stehen die Bilder der Straßen Tunis‘ und des Tahrir-Platzes in Kairo dauerhaft neben den Bildern der einstürzenden Zwillingstürme.
          3. Das Ende des billigen Erdöls, oder – präziser –  der indirekten Kontrolle über die Erdölpreise, die mit dem Schutz für die Petro-Monarchien erkauft wurde. Nach 1945 war die US-Strategie in der Region darauf ausgerichtet, die Kontrolle über die immensen Erdölreserven der Region zu erlangen bzw. ab 1971 den durch die Aufkündigung der Goldbindung zur reinen Papierwährung verkommenen Dollar als weltweit alleiniges Zahlungsmittel für Öl durchzusetzen. In den achtziger Jahren war dieses Ziel erreicht. Heute jedoch bricht dieses System unter dem Ansturm der Massen in den arabischen Ländern zusammen. Denn den Machthabern in Riad und den anderen Petro-Monarchien des Persischen Golfes zeigten die Unruhen in Tunesien und Ägypten, dass die USA nicht mehr in der Lage sind, den Schutz zu gewähren, unter dem diese Dynastien sich zu befinden glaubten. Die USA sollten sich keine Illusionen über das wahre Wesen ihrer Beziehungen zu Saudi-Arabien machen. Für die königliche Familie sind die Amerikaner nichts weiter als Bodyguards; sicherlich teure Angestellte, aber an Geld fehlt es den Herren ja nicht. Wenn ein Arbeitgeber aber feststellen muss, dass sein Bodyguard ohne viel Federlesen den Nachbarn verrät, dessen Schutz er doch ebenso gewährleisten sollte, dann ist schnell der Entschluss gefasst, ihn gegen neue Mitarbeiter einzutauschen bzw. ihn mit weniger wichtigen Aufgaben zu betreuen. An den Reaktionen in Saudi-Arabien und den anderen Petro-Monarchien kann man ablesen, dass die Revolution in Ägypten und die Tatsache, dass die Amerikaner Mubarak fallen ließen, in Riad und den anderen Hauptstädten der Golfstaaten zu einem Umdenken geführt hat. Diese Länder wollen ihre Beziehungen zu den USA auf eine ganz neue Grundlage stellen. Dabei wird auch die Stellung der Armee im Staat auf den Prüfstand gestellt werden; denn die Armeen der Petro-Monarchien werden von den USA ausgerüstet und ihre Offiziere in den USA ausgebildet und könnten damit von ambivalenter Loyalität sein. Aus Sicht der Golfstaaten ist der Schwund des Vertrauens in die politische und militärische Unterstützung der USA eine Fortsetzung der schon mehrjährigen allgemeinen Beziehungskrise zu den USA: a) Krise der US-Währung, die Monat für Monat im Verhältnis zu den anderen Weltwährungen weiter an Wert einbüsst, so dass diese Länder bei ihren Importen an Kaufkraft verlieren; b) Krise der US-Staatsanleihen, von denen sie im Austausch für ihr Erdöl Berge angehäuft haben und deren Wert sich über Nacht in Luft auflösen kann; c) Krise im Nahost-Friedensprozess, in dem sich die USA unfähig erweisen, Israel zu Konzessionen zu zwingen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Vertrauensverlust in die Fähigkeit der USA, den Petro-Monarchien Schutz zu gewähren, der Tropfen ist, der das Fass schon sehr bald – Ende 2011/Anfang 2012 ? – zum Überlaufen bringen wird.
          4. Die gesamte Region verlässt den amerikanischen Einflussbereich. Wie die Petro-Monarchien, die sich auf der Suche nach neuen Schutzmächten machen, positioniert sich die gesamte arabische Welt auf dem Schachbrett der Geopolitik neu. Wenn es heute auch noch zu früh ist vorherzusagen, ob, wann und wie in den einzelnen Staaten demokratische Systeme entstehen werden, kann man im Bereich der internationalen Beziehungen schon heute zwei Richtungen der Entwicklungen in der arabischen Welt ausmachen: Zum einen in Richtung Osten, schließlich ist China schon heute ein wichtiger Handelspartner und Investor in den Petro-Monarchien des Persischen Golfes. Dieser Trend wird sich nunmehr massiv verstärken. Auch Russland, das enge Beziehungen zur OPEC unterhält, ist als Kandidat für intensivere Beziehungen gut aufgestellt. Die Möglichkeit der Errichtung chinesischer oder russischer Militärstützpunkte am Persischen Golf ist heute nicht mehr ein unrealistisches Gedankenspiel. Zum anderen werden die nordafrikanischen Staaten sich für ihre wirtschaftlichen, kulturellen und internationalen Beziehungen stärker an Europa ausrichten.
          5. Rasches Schwinden des saudischen Einflusses in der arabischen Welt. Riad hat keine Mühen gescheut, Washington dazu zu bringen, Mubarak zu unterstützen oder ihm zumindest zu ermöglichen, den Machtwechsel gesichtswahrend zu organisieren. Und Riad ist gescheitert. Auch wenn der tiefe Grund dieses Scheiterns darin zu suchen ist, dass die USA heute nicht mehr in der Lage sind, die großen Entwicklungen in der Welt zu steuern (und der Umbruch in Arabien ist eine solche große Entwicklung), ändert dies nichts an der Tatsache, dass eine ganze Reihe von Akteuren in der Region sehr wohl zur Kenntnis genommen hat, dass Saudi-Arabien die amerikanische Politik in der Region nicht mehr zumindest mitbestimmen kann. Wie Israel war Saudi-Arabien aufgrund seiner finanziellen Macht in den letzten Jahrzehnten ein wichtiger Faktor in der amerikanischen Außenpolitik. Saudi-Arabien muss sich jetzt nicht nur Sorgen um den Bestand des eigenen Regimes machen, sondern auch mit ansehen, wie sein Ansehen, das auch von seiner privilegierten Stellung zu den USA profitierte, in der arabischen Welt schwindet. Es sollte nicht vergessen werden, dass Saudis wie Amerikaner von vielen Arabern gehasst werden. Ein gehasster Prinz, der schwach wird, ist ein Prinz, der stürzen wird, schrieb schon Machiavelli. Er wird daher mit allen Mitteln versuchen, seine Macht wieder zu stärken. Und nicht nur in Ägypten können sich Saudi-Arabien und die USA nicht mehr durchsetzen. Auch im Libanon konnten sie (im Schulterschluss mit Frankreich) nicht verhindern, dass die Hisbollah die neue Regierung bildet. Die Saudis verloren nicht nur das Gefühl der Sicherheit vor inneren und äußeren Umsturzversuchen, sondern auch das Gesicht. Dieser doppelt Verlust wird die Entwicklung massiv beeinflussen.

            Die Krise in der arabischen Welt lässt den Dreiklang

            Öl – Stabilität – Dollar,

            der über mehr als dreißig Jahre in der Region tonangebend war, immer mehr verstummen. Das ist natürlich eine Entwicklung von höchster globaler Bedeutung, die in den nächsten Monaten weltweit in

            • Wirtschaft,
            • Finanzmärkten,
            • Devisenmärkten
            • und internationalen Beziehungen

            massive Folgen zeitigen wird.

            Die Euro-Krise oder die Subprime-Krise waren laue Lüftchen im Vergleich zu dem Sturm, der bald über die Welt hinwegfegen wird.

            Vorrangig die USA, aber vielleicht auch der Rest der Welt könnten vor einer neuen Ölkrise stehen, wenn bis Ende 2011/Anfang 2012 der

            Dreiklang: Öl-Stabilität-Dollar

            verstummt sein wird.

             

            Saudi Arabien und seine Klone in Kleinformat, die Ölemirate, werden versucht sein,

             

            1. jegliches Risiko einer Revolution auf ihren Staatsgebieten auszuschließen, 
            2. ihre Bedürfnisse nach Sicherheit vor äußeren und inneren Bedrohungen mit Hilfe neuer Partner zu stärken,
            3. ihren Führungsanspruch in der arabisch-islamischen Welt erneut zu untermauern:
            • Die Saudis könnten abrupt anfangen, Öl auch in anderen Währungen als Dollar zu verkaufen (Euro, Yen und Yuan). Dabei handelt es sich lediglich um eine Beschleunigung eines Trends, der bereits seit längerer Zeit wirksam ist. Aber seine Beschleunigung, die auch in der Form einer Wiederbelebung des Projekts der Gemeinschaftswährung der Golfstaaten, des Khaleed, erfolgen kann, würde die Stellung des Dollars als wichtigste Währung der Welt erschüttern und damit seinen Wert mindern. Ein Kursrückgang von 20% im Verhältnis zu den anderen großen Weltwährungen im Verlauf von nur wenigen Wochen ist noch eine vorsichtige Prognose für diesen Fall. Denn damit würde die Nachfrage an Dollar weltweit massiv einbrechen. Diese Maßnahme wäre eine aus Sicht der Saudis sicherlich gerechtfertigte Sanktion, um die USA für ihren „Verrat“ an Ägyptens Präsident Mubarak zu bestrafen.
            • Sie könnten massiv US-Staatsanleihen verkaufen (bzw. den weiteren Ankauf einstellen), um somit größere Zugeständnisse Israels im Friedensprozess mit den Palästinenser zu erzwingen. Das wäre eine recht gelungene Mischung einer Sanktion gegen die USA mit einem Versuch, den Führungsanspruch in der arabischen Welt erneut zu untermauern. Es hätte gleichzeitig noch den Vorteil, Forderungen der eigenen Bevölkerung aufzugreifen. Diese Maßnahme wäre von Riad ohne Weiteres durchführbar. Die Auswirkungen auf den Wert der US-Staatsanleihen und den Wert des Dollars wären massiv. Was man in diesem Zusammenhang wissen muss: Zum einen erklärte am 11. Februar 2011 Mohammed El Erian, einer der Chefs von PIMCO, dem größten Anleihenfonds weltweit, dass die Krise in Ägypten die Schwäche der USA erkennbar gemacht habe, was auch dazu geführt habe, dass der sonst in Krisenzeiten so übliche Reflex der „Flucht in den Dollar“ ausgeblieben sei; zum anderen gab PIMCO am 15. Februar bekannt, dass der Anteil seiner Anlagen in US-Staatsanleihen an den Gesamtanlagen von 24% auf 12% gesunken ist – das ist eine Umschichtung, die in ihrem Umfang und ihrer Geschwindigkeit alles andere als üblich ist. Das gesamte internationale Währungssystem könnte mit einer solchen Maßnahme ausgehebelt werden.
            • Die Saudis könnten ein Ölembargo gegen die USA verhängen, wieder mit dem Ziel, von Israel maßgebliche Zugeständnisse im Friedensprozess mit den Palästinensern zu erzwingen. Schon bei der ersten Ölkrise war dieses Ziel eines der Hauptmotive der Erdöl produzierenden Staaten. Heute würden die USA von einem Lieferstopp noch härter getroffen als in den siebziger Jahren. Denn heute hängen sie mehr von Ölimporten ab und sicherlich würde sich Venezuela dem Boykott anschließen.
            • Unruhen könnten die Öllieferungen aus der gesamten Golfregion beeinträchtigen. Sollte die ganze Region in einem Chaos aus Revolutionen, sozialen Aufständen, Interventionen ausländischer Mächte (von den USA bis Iran) und Terrorismus versinken, wäre dies nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt ein Riesenproblem. Unabhängig von der Währung würde der Preis von Öl in die Höhe schießen und die Weltwirtschaft abstürzen.

            Alles völlig übertrieben?

            Die Weltenergiemächte haben auf einem Gipfel Ende Februar 2011 in Riad die arabische Krise diskutiert. Nahostexperte Bill Farren-Price meinte gegenüber dem „Spiegel“ am 26. Februar 2011, die meisten Entscheidungsträger außerhalb von Nordafrika und Nahost hätten Angst vor einem Flächenbrand in Nahost. Dieser würde zu einer deutlichen Ölverknappung führen.

            Zur Lage Ende Februar 2011 meinte Bill Farren-Price,

            • die Produktion von Öl in Libyen wurde heruntergefahren, die Häfen blockiert, und es sei möglich, dass Gefechte zwischen Rebellen und Gaddafis Söldnern um wichtige Förderstätten ausbrechen. Niemand kann sagen, wie lange die Unruhen anhalten.
            • Bei Chaos in Algerien wären die Öl-Märkte in Aufruhr. Das Land produziert 1,35 Millionen Fass Öl pro Tag, den Großteil davon exportiert es. Zudem ist das Land ein wichtiger Gasexporteur. Eine Krise würde die Reservekapazitäten Saudi-Arabiens stark angreifen.
            • Der Oman produziert 860.000 Fass Öl pro Tag und exportiert rund 115.000 Fass. Unruhen in diesem Land würden ebenfalls für erhebliche Nervosität an den Märkten sorgen.
            • Und Bei einer Revolte in Saudi-Arabien selbst? Klare Antwort des Experten: „Eine Ölnot wäre dann wohl nicht abzuwenden.“

            FAZIT:

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            Es ist sehr naiv zu glauben, dass die Ölmonarchien am Persischen Golf ohne weiteres fortfahren werden, US-Staatsanleihen und Dollar anzuhäufen.

            • Im Dreiklang 
            • Öl – Stabilität – Dollar 

            ist „die Stabilität“,

            • nämlich die Stabilität der Ölmonarchien,

            verstummt.

            • In den Beziehungen mit den USA ist hässlicher Mißklang zurückgeblieben.

            Für eine Diktatur oder eine autoritäre Monarchie bedeutet Stabilität nämlich immer in ersten Linie das Fortbestehen des Regimes und aller Privilegien.

             

            Dieses Detail in den bilateralen Beziehungen scheint Washington ignorieren zu wollen. Und bis zum Ende des Jahres werden die Saudis und ihre Klone in Kleinformat am Persischen Golf die Amerikaner für ihren „Verrat“ abstrafen.

            „Wenn Elefanten streiten, leidet das Gras.“

            Deshalb sollten Investoren das Weite suchen und alle Dollaranlagen abstoßen. Sie können nichts mehr gewinnen und alles verlieren.

            Es ist mit einem Ölpreis zu rechnen, der jeden Moment gewaltig nach oben schießen kann. Man hüte sich vor Anlagen in Bereiche, die unmittelbar auf preiswertes Öl angewiesen sind (Luftlinien, Automobile, Speditionen, Schiffsindustrie, Petrochemie usw.).

            In einem solchen Umfeld besteht keine Sorge, dass Gold wie alle sicherheitsorientierten Anlagen an

            Wert verlieren könnten.

            Lateinamerika steht bei der sich derzeit verschärfenden Krise eher aussen vor. Eine Wirtschaftskrise wird auch hier bemerkt und zeigt auch in diesem Teil der Welt Wirkung. Aber die letzte Krise hat deutlich gemacht, daß Asien und Lateinamerika wieder schneller auf die Beine kommen und nicht selbst substantiell Schaden nehmen. Während in den USA und in Europa die Banken zusammenbrechen werden, wird hier – ohne "Giftpapiere" – "business as usual" auf der Tagesordnung stehen. Lateinamerika ist weitgehend unbeteiligt an den Konflikten, und nimmt für den Anleger von heute die Rolle der beruhigenden Neutralität ein, die einst die Schweiz auszeichnete.

            Die Offerten unter "KAPITALANLAGEN-PANAMÁ “ werden von immer grundlegenderer Bedeutung.