Irrtum Immobilie

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Die westdeutsche Währungsreform von 1948 sah auch eine 50-prozentige Vermögensabgabe im Rahmen des Lastenausgleichgesetztes vor. Entscheidend aber war, dass Hypotheken zwangsweise 1:1 umgestellt wurden, wobei nur zehn Prozent dem Alt-Gläubiger zu zahlen waren, aber 90 Prozent dem bundesrepublikanischen Finanzamt. Jeder, der also versuchte, durch Immobilieneigentum sich aus dem absehbaren Finanzkollaps des Zweiten Weltkrieges zu entziehen, wurde ab 1948 die wahre Rechnung präsentiert – er musste einen 90-prozentigen Wertverlust hinnehmen und damit Westdeutschland finanzieren.

 

Da passt es auch ins Bild, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble erst im Dezember 2011 Levin Holle als Abteilungsleiter „Finanzmarktpolitik“ eingestellt hat. Der ehemalige Senior Partner der „Boston Consulting Group“ in Berlin hat noch letzten September vorschlagen lassen, deutsche Sparvermögen durch eine Einmal-Steuer so zu belasten, dass dem Bund sechs Billionen Euro zufließen.

 

So wie bereits zweimal im letzten Jahrhundert sind heute der EFSF und der kommende ESM der dritte Versuch des deutschen Staates, Staatsschulden zu monetisieren. Wer also heute bei knapp einer Billion Euro an deutschen Bürgschaften, Garantien, Kapitaleinschüssen daran denkt, durch fremdfinanzierten Immobilienkauf sein Vermögen abzusichern, der sollte daran danken, dass der deutsche Staat ein langes Gedächtnis und erheblich mehr Erfahrung hat, Vermögensgewinne durch Währungsumstellung im nächsten System zum eigenen Vorteil systematisch abzuschöpfen.

Der Autor Erwin Grandinger ist Finanz-Stratege und Partner bei EPM Group Berlin.

Welt, 20. Januar 2012