HANDELSBLATT-ALARM

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Bedrohtes Vermögen in Deutschland

Wenn eine Wirtschaftszeitung wie das „Handelsblatt” Alarm schlägt, dann sieht das anders aus als in der Boulevardpresse. Eine „Bild Zeitung“ hätte sich reißerisch ausgedrückt. Das ist nicht der Stil eines Handelsblattes.

Grundlage des nachfolgenden Beitrages ist ein Artikel von Jan Mallien und Jörg Hackhausen im Handelsblatt vom 03. April 2013. Der Link zu dem bemerkenswerten Artikel steht am Ende zur Verfügung.

Wir fassen den Inhalt des Artikels zusammen und stellen fest. Was die Internetkanzlei seit dem Zusammenbruch von Lehman voraussagt, nimmt immer konkretere Züge an.

Dann also los:

Der Staat kennt viele Wege, um an Geld zu kommen, und die Bürger an der Entschuldung zu beteiligen;

  • manche sind schon in Vergessenheit geraten,
  • andere erscheinen noch abwegig,
  • und wieder andere sind längst im Einsatz.

Im Grunde ist der Unterschied zwischen den Sparern in Zypern einerseits und denen in den USA oder Deutschland gar nicht so groß. In dem einen Fall geschieht die Enteignung auf einen Schlag, im anderen schleichend.

Was auf Zypern passiert ist, wäre bis vor kurzem in Europa kaum vorstellbar gewesen. Bei allen vorherigen Rettungsaktionen blieben die Guthaben von Bankkunden unangetastet. Bei Zypern ist das erstmals anders:

Bankkunden der beiden größten zyprischen Banken, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben, müssen eine Zwangsabgabe leisten.

Damit die Zyprer ihr Geld nicht reihenweise ins Ausland schaffen, wurde außerdem der freie Kapitalverkehr eingeschränkt. Die Zyprer können nur wenige Hundert Euro pro Tag abheben. Überweisungen ins Ausland sind nur sehr eingeschränkt möglich. Darüber hinaus dürfen Termin- und Festgelder nur noch in ganz bestimmten Fällen aufgelöst werden. Ein weiterer Tabubruch.

Zypern ist ein Modell für andere Länder. Jeroen Dijsselbloem, Chef der Eurogruppe, hat das unmißverständlich klar gemacht.

Die EU-Regierungen hatten sich bereits im vergangenen Jahr darauf geeinigt, daß bei Rettungsaktionen für Staaten auch eine Abwicklung maroder Banken möglich sein soll, an der auch die Kunden beteiligt werden können. Die Grenzen zwischen Aktionären, Gläubigern und Sparern, sie sind längst aufgehoben. Nur hatte das bis Zypern niemand geglaubt.

Als Testfall – als sog. „Blaupause – ist Zypern aufschlußreich, weil es zeigt, wie einfallsreich die Euro-Retter vorgehen.

Europa bekommt die Schuldenkrise nur in den Griff, wenn die Bürger an der Entschuldung beteiligt werden. Eine Zwangsabgabe müssen die Deutschen zwar erst einmal nicht fürchten. Daß die Menschen in langen Schlangen vor den Banken stehen, um an ihr Geld zu kommen, erscheint ebenso unwahrscheinlich. Das heißt aber nicht, daß deutsche Sparer ungeschoren davonkämen. Sie müssen sich einstellen auf

  1. Steuern,
  2. Verbote,
  3. und auf höhere Inflation.

Was hilft gegen ausufernde Schulden? Niedrige Zinsen, gepaart mit höherer Inflation.

Durch Inflation steigt das nominale Bruttoinlandsprodukt, selbst wenn die Wirtschaft real allenfalls wenig wächst.

Das wiederum läßt den Schuldenstand im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt weniger hoch aussehen.

Wenn auf der anderen Seite die Zinsen, die der Staat für seine Anleihen zahlen muß, nicht im selben Maße steigen, verbessert sich seine Schuldenquote.

Da die Inflation außerdem eins zu eins auf die Steuereinnahmen des Staates durchschlägt, erhöht sie die nominalen Steuereinnahmen. Folge: Wenn sich das Durchschnittseinkommen auf dem Papier erhöht, muß ein höherer Anteil an Steuerpflichtigen den Maximalsatz bezahlen; Stichwort: „kalte Progression“. Im komplexen deutschen Steuersystem gehört die kalte Progression seit langem zu den ungelösten Problemen: Mit steigendem Einkommen erhöht sich auch der Steuersatz, zugleich wird ein Teil des zusätzlichen Lohns durch die Inflation aufgefressen. Gleicht eine Gehaltserhöhung lediglich die Inflation aus, so hat der Steuerzahler deshalb am Ende sogar weniger Geld in der Tasche.

Besonders betroffen sind Einkommensgruppen mit einem Jahreseinkommen zwischen 55.000 und 65.000 Euro. Ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Jahresbrutto von 60.000 Euro verliere zwischen 2011 und 2014 insgesamt 488 Euro. Einen Alleinstehenden mit einem Jahresbrutto von 30.000 Euro koste die kalte Progression im selben Zeitraum gut 207 Euro.

Außerdem muß der Staat Anleger also dazu bringen, weiterhin in die niedrig verzinsten Staatsanleihen zu investieren. Auch das schafft man:

Die EU hat mit dem Regelwerken „Solvency II“ und „Basel III“ dafür gesorgt, daß Versicherer und Banken für Staatsanleihen deutlich weniger zurücklegen müssen als für Aktien oder Unternehmensanleihen. Ein Investment in Staatsanleihen wird damit deutlich attraktiver, ohne daß die Staaten dafür auch nur einen Cent mehr an Zinsen bieten müßten. Daß dadurch die Altersvorsorge seiner Bürger ruiniert wird, ist dem Staat egal.

Wenn das nicht hilft, besteht immer noch die Möglichkeit, andere Anlageklasse so unattraktiv zu machen, daß sie sich nicht mehr lohnen, etwa durch Steuern oder Zinsobergrenzen. Theoretisch könnte der Zinssatz, den es für Spareinlagen gibt, gesetzlich gedeckelt werden. In China werden solche Zinsgrenzen bis heute angewendet. Auch die Bundesrepublik hat Erfahrung mit derartigen Methoden. In Deutschland waren die Zinsen bis Ende der 1960er Jahre reguliert. Bringen Spareinlagen wenig ein, werden Staatsanleihen wieder attraktiver. Der Anleger hat die Wahl zwischen Pest und Syphilis.

Obwohl die Inflation mit 1,5% relativ niedrig ist, liegen die Zinsen, die Sparer erhalten, schon jetzt darunter. Die liebsten Anlagen der Deutschen – Sparbuch, Tages- und Festgeld oder Lebensversicherung – werfen so wenig ab, daß die Kaufkraft beständig weniger wird.

Unmittelbar spürbar sind höhere Steuern.

Durch sie könnte der Staat seine Einnahmen deutlich erhöhen.

Ein erprobtes Instrument dafür wäre die Vermögensteuer. In Deutschland gab es sie bis 1997. Die Bundesländer erhoben eine einprozentige Abgabe auf Vermögen über einem Freibetrag von 120.000 DM. Als Vermögen zählte alles, was nach Abzug der Einkommensteuer und Schulden übrig blieb:

  • Immobilien,
  • Gold
  • Aktien- und Firmenanteile.

Durch die Alterung der Bevölkerung steigen nicht nur die Ersparnisse. Es gibt auch mehr zu erben. Einerseits erbt die nachfolgende Generation hohe Staatsschulden. Andererseits erbt sie auch so viel Vermögen wie nie zuvor.

Die Staatsschulden erbt die gesamte Gesellschaft – große Vermögen erben jedoch nur wenige von ihren Eltern. Daher kommt auch die Erbschaftsteuer wieder in die politische Diskussion.

Das Deutsche Institut für Altersvorsorge schätzt, daß Jahr für Jahr 260 Milliarden vererbt oder verschenkt werden. Die deutsche Politik wird der Versuchung einer höheren Erbschaftsteuer erliegen. In anderen Ländern wie den USA, Frankreich oder den Niederlanden ist diese Steuer ohnehin viel höher ist als hierzulande. Man zieht also nur nach, man „paßt sich dem internationalen Standard“ an.

An Immobilien kommt der Staat besonders einfach heran. Hausbesitzer können sich weder verstecken, noch mit ihrer Immobilie außer Landes.

In Deutschland ist die Grundsteuer vergleichsweise niedrig. Aber einige Kommunen machen sich bereits an eine drastische Anhebung.

Daß in extremen Situationen noch ganz andere Maßnahmen möglich sind, zeigt wiederum ein Blick in die Geschichte: Im Zuge der Währungsreform 1948 bekam jeder Immobilieneigentümer auf dem Gebiet der entstehenden Bundesrepublik eine Zwangshypothek eingetragen, die er in den kommenden Jahren abbezahlen mußte. De facto handelte es sich um eine Zusatzsteuer.

Keine Anlageklasse ist vor zusätzlichen Steuern sicher. Das gilt auch für die Krisenwährung Gold. Denkbar wäre etwa eine Mehrwert- oder Abgeltungsteuer für den Handel mit Münzen oder Barren. Und wenn auch das nicht hilft, gibt es immer noch die Möglichkeit, den Besitz von Gold komplett zu verbieten.

Das haben in den 1930er-Jahren die USA praktiziert, konlkret von 1933 bis 1974.

Wenn der Staat trotz alledem nicht genug Leute findet, die ihm Geld leihen, kann er noch einen Schritt weiter gehen. Manchmal hilft dann auch Zwang.

Nach dem Ersten Weltkrieg experimentierte die Politik mit Zwangsanleihen. Auf dem Kapitalmarkt konnte sich das Deutsche Reich nicht mehr finanzieren, gleichzeitig mußte es aber Reparationsforderungen aus dem Versailler-Vertrag bedienen. Also führte man eine Zwangsanleihe ein. Zur Zeichnung der Anleihen waren ab 1. Januar 1923 alle vermögensteuerpflichtigen Bürger mit einem Vermögen über 100.000 Mark verpflichtet. Sie mußten von den ersten 100.000 Mark ein Prozent in Anleihen tauschen, von den nächsten 150.000 Mark zwei Prozent, und so weiter. Der Höchstsatz war bei einem Vermögen von einer Million Mark und einem Satz von zehn Prozent erreicht. Die Rückzahlung sollte im Jahr 1925 erfolgen. Dazu kam es allerdings nicht, da die Anleihen durch die Hyperinflation in den ersten Jahren der Weimarer Republik vollständig entwertet wurden.

Die Idee der Zwangsanleihe ist keineswegs tot.

2012 schlug das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor, Vermögende sollten per Gesetz zum Kauf von Staatsanleihen gezwungen werden.

„Damit wäre ein wichtiger Schritt zu einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte getan, und wachstumsfördernde Reformen würden erleichtert“,

erklärte Stefan Bach vom DIW. Das Institut rechnete aus, daß eine Abgabe von zehn Prozent auf Vermögen von über 250.000 Euro allein in Deutschland rund 230 Milliarden Euro in die Kassen des Staates spülen würde. Betroffen wären acht Prozent der Bevölkerung.

Das praktische an Zwangsanleihen: Der Staat könnte seine Bürger nicht nur zum Kauf von Schuldscheinen zwingen, sondern auch noch die Bedingungen diktieren. Der Zins wäre bestimmt kümmerlich.

Verstaatlichung von Pensionsvermögen

Immer mehr Menschen sorgen auch privat fürs Alter vor, zum Beispiel indem sie in private Pensionsfonds einzahlen. Die Fonds verwalten riesige Vermögen. Das weckt die Begehrlichkeiten des Staates.

Besonders weit gegangen ist der argentinische Staat. In der Wirtschaftskrise Ende der 90-Jahre fand die argentinische Regierung kein Mittel gegen die dramatische Verschuldung. Zunächst gab es einen Schuldenschnitt. Doch auch der löste die Probleme nicht vollständig. Im November 2008 langte die argentinische Regierung dann bei privaten Pensionskassen zu.

Im November 2008 übertrug sie kurzerhand die Guthaben der privaten Pensionskassen im Volumen von 20 Milliarden Euro an die staatliche Rentenkasse. Offiziell begründete sie den Schritt damit, daß sie die Kassen vor dem Bankrott retten wollte. Aus Sicht der Märkte ging es ihr jedoch nur um eine Sache: Sie mußte unbedingt den drohenden Bankrott abwenden.

Der Staat kann aber auch auf subtilere Weise die Altersrücklagen der Bevölkerung anzapfen, zum Beispiel durch eine andere Besteuerung. In Deutschland werden die Einlagen zur Altersvorsorge erst rückwirkend besteuert. Das ließe sich natürlich sehr schnell ändern.

Handelblatt-Link “Am Ende zahlt der Sparer”