Geschichte einer Exekution

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Was gesetzlich lediglich geregelt war, waren Schranken, allerdings auch nur für Finanzbeamte und Steuerfahnder, nicht einmal für Staatsanwälte. Die Finanzbürokratie und deren Fahnder haben nach dem Paragrafen 30a der Abgabenordnung "auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besonders Rücksicht zu nehmen". Tatsächlich und in der täglichen Praxis war auch dieses bißchen gesetzlich geregeltes Bankgeheimnis vor April 2005 längst durchlöchert gewesen durch Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesverfassungsgerichts.

So war es unter Juristen auch in der Vergangenheit völlig unumstritten, daß die Banken den Ermittlern unter anderem Auskunft geben müssen, wenn "Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt" werden sollen. Ob die Abschaffung des Bankgeheimnisses bei der Terroristensuche, wie derzeit in der politischen Diskussion behauptet wird, überhaupt noch vor diesem Hintergrund der tatsächlich schon gegebenen Rechtslage zusätzlich hilfreich sein konnte, ist nicht nur zu bezweifeln; wir haben es mit reiner Heuchelei zum Zweck der Schaffung des gläsernen Staatsbürgers zugunsten der Finanzbürokratie zu tun. "Bei Straftaten", so auch die Meinung schon vor Jahren von Juraprofessor Jürgen Meyer, Experte für internationales Strafrecht und seit langer Zeit für die SPD im Bundestag, "gibt es sowieso kein Bankgeheimnis."

Die einschlägige Bestimmung des § 30a AO "Schutz von Bankkunden", hier im aktuell gültigen Wortlaut:

(1) Bei der Ermittlung des Sachverhalts (§ 88) haben die Finanzbehörden auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besonders Rücksicht zu nehmen.
(2) Die Finanzbehörden dürfen von den Kreditinstituten zum Zweck der allgemeinen Überwachung die einmalige oder periodische Mitteilung von Konten bestimmter Art oder bestimmter Höhe nicht verlangen.
(3) Die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 vorgenommen worden ist, dürfen anläßlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden. Die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben.
(4) In Vordrucken für Steuererklärungen soll die Angabe der Nummern von Konten und Depots, die der Steuerpflichtige bei Kreditinstituten unterhält, nicht verlangt werden, soweit nicht steuermindernde Ausgaben oder Vergünstigungen geltend gemacht werden oder die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Finanzamt dies bedingt.
(5) Für Auskunftsersuchen an Kreditinstitute gilt § 93. Ist die Person des Steuerpflichtigen bekannt und gegen ihn kein Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit eingeleitet, soll auch im Verfahren nach § 208 Abs. 1 Satz 1 ein Kreditinstitut erst um Auskunft und Vorlage von Urkunden gebeten werden, wenn ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht.

(Textunterstreichungen von uns zum besseren Verständnis)

Der Weg des Bankgeheimnisses auf das Schafott
Der Bundestag hatte am 21. Februar 2003 das sog. "Steuervergünstigungsabbaugesetz" erst einmal verabschiedet gehabt. Nach der Ablehnung im Bundesrat erfolgte am 11. April 2003 ein sog. "Steuerkompromiß". Im Wesentlichen kam es im Rahmen der Verabschiedung des "Torsos" vom übriggebliebenen "Steuervergünstigungsabbaugesetzes" zu einer Reihe von Neuregelungen vornehmlich im Hinblick auf die Besteuerung von Kapitalgesellschaften. Zur mit diesem Gesetzentwurf einhergehenden faktischen Abschaffung des ohnehin durch das GwG schon weitgehend seiner Substanz beraubten Bankgeheimnisses kam es noch nicht. Das nämlich stellte im Entwurf des StVergAbG den eigentlich schwerwiegenden Eingriff dar: Das Bankgeheimnis stand zur Abschaffung an zugunsten von weitgehenden Kontrollmitteilungen an die Finanzbürokratie. Konten und Depots bei den Banken in Deutschland sollten auch für schon vergangene Jahre zur Einsicht durch die staatlichen Kontrolleure offen gelegt werden. Alles nicht mehr aktuell seit 11. April 2003 dachten viele.
Weit gefehlt!

Das alles folgte doch – europaweit:

Laut der EU-Zinsrichtlinie, auf die man sich am 03. Juni 2003 geeinigt hatte, stellen 12 der derzeitigen Mitgliedstaaten, sowie alle Staaten, die 2004 der Gemeinschaft beitraten, seit April 2005 den

automatischen Austausch von Informationen zwischen den Steuerämtern

sicher, daß Zinserträge im Steuersitzland des Anlegers besteuert werden.

Nur Belgien, Luxemburg und Österreich liefern vorerst keine Informationen, sondern erheben eine Quellensteuer, deren Einnahmen sie zu 75% an das Steuersitzland des Anlegers weiterleiten. Die Steuer wird in den ersten drei Jahren 15%, in den nächsten drei Jahren 20% und danach 35% betragen. Eine parallele Lösung in Form eines Steuerrückbehaltes von 15%, 20% und 35% mit Weiterleitung von 75% der Einnahmen sieht der Vertrag der EU mit der Schweiz für jene Zinserträge vor, die EU-Bürger in der Schweiz erzielen. Anstelle des Steuerrückbehaltes kann der Bankkunde einer Meldung an seine Steuerbehörde zustimmen (freiwilliger Informationsaustausch), zudem wird die Schweiz Amtshilfe bei Steuerbetrug «und dergleichen», nicht aber bei Steuerhinterziehung, leisten (Informationsaustausch auf Anfrage).
Bundeskanzler Schröder hatte noch am 16. Dezember 2002 in wünschenswerter Klarheit ausdrücklich darauf hingewiesen, daß man zwar von der Vermögensteuer Abstand nehmen möchte, nicht jedoch von der Abschaffung des Bankgeheimnisses. Zum Zwecke der Erhebung von Steuern solten die deutschen Banken von vornherein als "Vermögensschätzstelle" des Fiskus zum Nachteil ihrer Kunden mißbraucht werden. Das Bundesamt für Finanzen in Bonn wurde damit nach Abschaffung des Bankgeheimnisses immer mehr zur Superbehörde im Kampf gegen Staatsbürger, die sich vom Staat nicht jegliche eigenverantwortliche Kontrolle über ihr ehrlich erworbenes privates Vermögen abnehmen lassen wollen. Künftig sollten dort Kontrollmitteilungen über sämtliche Kapitaleinkünfte und private Veräußerungsgewinne der Bürger zusammenlaufen und an die zuständigen Finanzämter weitergeleitet werden. Schon der insoweit bestimmt nicht vergessene Entwurf des StVergAbG sah auch vor, daß in der Vergangenheit der Kontobewegungen herumgeschnüffelt hätte werden dürfen; dies blieb auch  in den Köpfen unserer Herren Politiker. Das Bankgeheimnis wurde nicht nur von einer sich ändernden deutschen Gesetzgebung bedroht, es handelte sich um eine Entwicklung in der gesamten Europäischen Union, der sich auf Dauer kein Mitgliedsland entziehen kann.

Die EU-Richtlinie unter dem Aspekt des Bankgeheimnisses
Der Richtlinie vorausgestellt sind die Motive, "Gründe" genannt:
(16)
Die angestrebte Gewährleistung einer effektiven Besteuerung von Zinszahlungen kann im Wege des Austauschs von Informationen über Zinszahlungen zwischen den Mitgliedstaaten erreicht werden.
(18)
Der automatische Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten über von dieser Richtlinie erfasste Zinszahlungen ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Gewährleistung einer effektiven Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen."

Was bedeutet das im Einzelnen? Die Antwort machen wir uns einfach, wir geben einfach den insoweit einschlägigen Text der Richtlinie wider:

"Kapitel II: Informationsaustausch

Artikel 8
Von der Zahlstelle zu übermittelnde Angaben

(1) Die Zahlstelle übermittelt der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates ihrer Niederlassung mindestens folgende Angaben:
a) Identität und Wohnsitz des gemäß Artikel 3 festgestellten wirtschaftlichen Eigentümers;
b) Name und Anschrift der Zahlstelle;
c) Kontonummer des wirtschaftlichen Eigentümers oder, in Ermangelung einer solchen, Kennzeichen der Forderung, aus der die Zinsen herrühren;
d) Angaben zur Zinszahlung gemäß Absatz 2.
(2) Die Zahlstelle übermittelt mindestens folgende Angaben zur Zinszahlung:
a) im Falle einer Zinszahlung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a: Betrag der gezahlten oder gutgeschriebenen Zinsen;
b) im Falle einer Zinszahlung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b oder d: entweder den Betrag der Zinsen oder der dort bezeichneten Erträge oder den vollen Betrag des Verkaufs, der Rückzahlung oder der Einlösung;
c) im Falle einer Zinszahlung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c: entweder den Betrag der dort bezeichneten Erträge oder den vollen Ausschüttungsbetrag;
d) im Falle einer Zinszahlung im Sinne von Artikel 6 Absatz 4: den Betrag der Zinsen, aufgeschlüsselt nach Mitgliedern der Einrichtung nach Artikel 4 Absatz 2, die die Voraussetzungen von Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz1 erfüllen;
e) wenn ein Mitgliedstaat von der Wahlmöglichkeit in Artikel 6 Absatz 5 Gebrauch gemacht hat: den Betrag der auf Jahresbasis umgerechneten Zinsen.

Artikel 9
Automatischer Informationsaustausch

(1) Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der Zahlstelle übermittelt die Informationen nach Artikel 8 der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der wirtschaftliche Eigentümer ansässig ist.
(2) Die Informationen über sämtliche während eines Steuerjahrs erfolgten Zinszahlungen werden mindestens einmal jährlich automatisch übermittelt, und zwar binnen sechs Monaten nach dem Ende des Steuerjahres des Mitgliedstaats, in dem die Zahlstelle niedergelassen ist.
(3) …"

  • In Deutschland,
  • in der EU,
  • letztlich auf dem gesamten europäischen Kontinent


ist das Bankgeheimnis tot – in einem Land mehr, im anderen Land (noch) weniger.